Mittwoch, 8. Mai 2013

Pinguine, Fisch und Kommunisten


Es ist ein wunderschöner Tag im Mittsommer. Zusammen mit deinen Freunden lässt du es dir am Strand bei 30° im Schatten gut gehen und versuchst zumindest ein bisschen an deinem Teint zu arbeiten. Entspannt beobachtest du von deinem Handtuch aus das muntere Treiben um dich herum - die Einheimischen, wie sie versuchen allerlei an Produkten zu verkaufen; deine Freunde, wie sie das neue Beachball-Set einweihen und die Pinguine, wie sie fleißig von ihrem Felsen aus ins Meer springen um auf Jagd zu gehen…Moment mal, Pinguine? 30°C…Sommer? Irgendetwas stimmt hier nicht!

Tut es wohl! Den chilenischen Magellan-Pinguin und seinen fast kaum unterscheidbaren Artgenossen - den Humboldt-Pinguin - findet man in seiner Brutzeit zwischen Februar und Juli nämlich an der kompletten südamerikanischen Westküste sogar hoch bis nach Perú!

Nahe der chilenischen Stadt "Ancud", im Norden der Insel, gibt es ebenfalls eine große Kolonie jener fantastischen kleinen Vögel, die wir uns natürlich auf keinen Fall entgehen lassen wollten!

So ging es relativ früh am Morgen diesmal mit einem ordentlichen Reisebus in das 1 1/2 Stunden entfernte "Ancud". Direkt am Busterminal fanden wir eine Agentur, die für umgerechnet 20 € Touren zum Pinguin-Strand "Puñihuil" veranstalteten. Problem hierbei: Um die Pinguine auf ihren Felsen sehen zu können, müsse man die Ebbe abwarten...jene war in dieser Woche am späten Nachmittag gegen 16:00! Im Klartext hieß das: 5 Stunden Zeit totschlagen in Ancud.

Nummer 1 Anlaufpunkt - ihr könnt es euch inzwischen ja wohl denken - war also mal wieder der "Plaza de Armas". Hier findet man unter Anderem eine Touristen-Information, die wir bitter benötigten, um unsere lange Freizeits-Periode mit interessanten Dingen abzudecken.


"Plaza de Armas zu Ancud mit einer Statur der mystischen Götter Ten-Ten Vilu und Cai-Cai Vilu"

Zusammen mit zwei Mädchen, die wie wir auf die Pinguin-Tour warten mussten, besuchten wir zuerst die einzige moderne Kirche Chiloés, die nach dem Erdbeben von 1960 (dem bisher stärksten gemessenen der Erdgeschichte) komplett neu errichtet wurde.


Direkt nebenan befand sich das "Museum der chilotischen Geschichte", welches wir uns natürlich auch nicht entgehen lassen wollten. Ich bin jedoch nicht der große Erzähl-Bär, also müsst ihr euch bei Interesse selbst den Wikipedia-Artikel durchlesen. Ein paar interessante Dinge, die wir dort entdeckten werde ich trotzdem mit euch teilen:


"Malerische Darstellung von Ten-Ten Vilu und Cai-Cai Vilu..."


"...das Skelett eines vor ein paar Jahren gestrandeten Blauwales..."


"...eine Replika des Schiffes, mit dem Magellan 1520 die südliche Patagonia erkundete..."


"...Überreste der spanischen Besetzung..."


"...und das Panorama hinein in die Bucht von Ancud."

Alsbald meldeten sich unsere Mägen und nachdem wir kurz über den sehr modernen und neu aufgemachten Souvenir-Markt geschlendert waren, machten wir es uns in einem Fisch-Restaurant gemütlich. Mein Lachsfilet mit Krabbensoße und Kartoffelpuffer war ein Genuss!


Ich wünschte ich könnte euch inzwischen etwas Lustiges oder Schräges über die Chiloten erzählen doch - Pustekuchen! Leider findet man vor Allem im Sommer auf Grund der vielen Touristen so viel pures kulturelles Ambiente wie im Bierkönig auf Malle - nämlich gar keins.

Nach einer kleinen Erkundungstour entlang der Buchtpromenade war es endlich soweit und wir stiegen in den Bus Richtung "Pingüinera" (übersetzt: die Pinguinerei).





"Los geht's!"

Rund 45 Minuten dauerte die fand hin zu einem wunderbar paradiesischen gelben Sandstrand am Rande einer knapp 30m in die Höhe ragenden Steilküste. Leider trübte der Anblick der vielen Reisebusse und Autos, die notdürftig direkt am Strand geparkt waren, etwas die Aussicht. In Sachen "das Auge isst mit" haben die Chilenen definitiv in mehreren Belangen noch viel zu lernen!



Rein in die knallorangenen Rettungswesten und das etwas wacklige Motorboot waren wir mit rund 20 anderen Touristen startklar für ein pinguinisches Abenteuer. Mit dabei natürlich auch wieder der ein oder andere Kandidat mit Halskanone Marke "Nikon" - frage mich bis heute wie es sich Leute antun können diese unhandlichen knapp 3 Kilo schweren Profikameras mitzuschleppen. Ich bleibe da lieber bei einer einigermaßen guten Digicam, die mit 500g Gewicht auch noch gut in der Hand liegt - und super Fotos schießt. Wie zum Beispiel diese:


"Ein erster Blick auf die Kollegen vom Dienst..."


"...die ungefähr 500m vor der Küste hausen..."


"...und ihre Neugeborenen mit frisch-gefangenem Fisch füttern."


"Die sich im Fellwechsel befindenden grauen Neugeborenen müssen nämlich knapp 20 Tage ohne Tauchgang aushalten, während..."


"...es sich dieser bronzene Kollege auf dem Nachbarfelsen in der Abendsonne gemütlich macht..."


"...und schließlich versucht dem weiblichem Publikum auf unserem Boot zu imponieren."


"Auswirkungen des Erdbebens 1960 - diese zwei Felsen waren mal eins!"

Das erste Mal Pinguine in freier Wildbahn - Wow, was für eine Erfahrung! Die knappe Stunde konnte nicht langsam genug vorbeigehen, denn ich kam gar nicht mehr aus dem Staunen über diese wunderbar lustigen Geschöpfe. Abschied mussten wir trotzdem nehmen und man schenkte uns bis zur Abfahrt zurück zum Terminal noch eine entspannte halbe Stunde an besagtem Strand. 

Am späten Abend wieder in Castro angekommen, entschieden wir uns zum Abschied der zwei Frauen, mit denen wir zusammen auf Quinchao waren und eine freundliche Bekanntschaft entwickelt hatten, erneut das chilotische Nachtleben unsicher zu machen. Es schloss sich noch ein Paar aus Concepción an, dessen männlicher Teil - ach, ist die Welt doch so klein - überraschenderweise ein Arbeitskollege von unserem Mit-Freiwilligen Jakob ist!

Die unglaubliche Auswahl von zwei Restobars hatten wir also an besagtem Dienstagabend. Wir entschieden uns zuerst für eine, auf den ersten Blick eher ausladende, Rocker-Bar, die sich am Ende jedoch als sehr amüsant herausstellte - woran wahrscheinlich auch die hochprozentige Flüssignahrung Schuld hatte. Ein wenig später testeten wir auch noch Bar Numero 2 - und zack! - da fiel mir doch noch eine schräge Begebenheit in die Hände.

Am Spielen war eine Live-Band, die aus 4 Männern im etwas besseren Alter bestand. Der Sänger, ein schlaksiger Herr von kleiner Statur mit einem Weihnachtsmann-Bart und Kommi-Stern-Mütze auf dem Kopf, war der auffälligste der ulkigen Gruppe. Es verging nicht viel Zeit und jenem Herren fiel auf, dass in seinem erhabenen 15-Mann-starken Publikum zwei blonde Kreaturen Platz genommen hatten. Sofort die Frage: "Ach nein, wo kommt ihr zwei Putzigen denn her?" - es lief mir kalt den Rücken runter. Ich wusste genau, was mich erwarten würde, wenn ich diesem Señor, der roter zu sein schien als die Flagge auf Stalins Grab, erzählen würde, dass ich Deutscher sei.

Natürlich war wie sooft mein Mundwerk schneller im Ziel als mein Gehirn und seine Gesichtszüge weiteten sich: "Ooooh, Deutsche!"...und schon ging es los: "Damals haben wir regelmäßig in Ost-Berlin gespielt und die Revolution besungen...bla, bla, bla"..und beendete seine Predigt wie folgt: "Für meine zugereisten Freunde aus der ehemaligen DDR spielen wir nun das Lied "Lutz, el espía", die Geschichte eines kommunistischen Spions in West-Berlin." 

Also trällerte eben dieser Fidel Castro für Arme ein Lied auf die traurige Geschichte des Spions Lutz, der für die "gute Sache" in West-Berlin auf mysteriöse Weise starb, während ich halb apathisch an meinem Drink nuckelte. Um euch vorstellen zu können wie unwohl ich mich in dieser Situation als bekennender Kapitalist gefühlt habe, stellt euch das kleine Schweinchen vor, dass sich zufällig im Schlachterhof verlaufen hat.

Anscheinend war diese Band jedoch nicht als Hintergrundmusik engagiert, und als unsere chilenische Gesellschaft während des Liedes zu laut wurde, Che Guevara es sogar unterbrach und uns bat uns in Ehren des lieben Lutz' doch bitte LEISE zu verhalten, war das Fass für mich endgültig übergelaufen und wir wechselten nach diesem kurzen Intermedley, Gott sei Dank, wieder in die Rocker-Bar, wo der Abend erst ein spätes Ende fand...

Un abrazo,

Niclas

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