Samstag, 29. Dezember 2012

Rano Kau & Orongo

Der Vogelmannkult - was klingt wie eine Gruppe Ornithologen die mit halluzinogenen Drogen spielen war bis vor knapp 150 Jahren noch die alltags-bestimmende Religion der am nördlichsten gelegenen Ureinwohner-Siedlung "Orongo".

Auf den Spuren jener mysteriösen, alten Kultur machten wir uns an unserem ersten vollen Tag auf Rapa Nui auf zum gerade um die Ecke gelegenen Vulkan "Rano Kau". Zusammen mit Marcel, einem Schweizer, den wir am Vorabend bei der überraschenden japanischen Fisch-Verköstigung kennengelernt hatten, ging es vom Hostel aus entlang des "Sendero Orongo", der uns 300 Höhenmeter später am Krater des "Rano Kau" entlang in besagtes Dörfchen leiten sollte.


"OFFIZIELL am anderen Ende der Welt! 14570km nach Berlin"


"Den Weg nochmal überprüfen"

Eine Spezialität der Chilenen ist es aus Mücken Elefanten zu machen. So hat man z.B. eine Überlebenschance von 0,01 % wenn man mit dem Unternehmen "Tur Bus" fährt oder lebt extrem gefährlich wenn man sich am Strand sonnt, da ja spontan ein Tsunami kommen und dich nass machen könne. 

Eine Warnung hätte ich jedoch ernster nehmen sollen, was ich sofort nach 30 Minuten Wanderung am eigenen Leib erfahren würde: das Wetter ist hier so unberechenbar wie der Versuch durch 0 zu dividieren. Somit kann man hier das Phänomen eines lokal begrenzten Regens bewundern. Dieser wird aus ungefähr 1km langen dunklen Wolken in regelmäßigen Abständen über der Insel verteilt. Der Dank gilt an dieser Stelle an die Ureinwohner, die in ihrer Blütezeit gut alle indigenen Wälder gerodet haben -unterstellen: Fehlanzeige.

Die unfreiwillige zweite Dusche an jenem Tag war glücklicherweise nach 5 Minuten bereits an uns vorbeigezogen - wir konnten sie regelrecht wandern sehen! Wie eine Wand aus Regentropfen, die sich langsam von dir entfernt: WOW!


"links bestes Inselwetter - rechts die Wand"

Zu allem eleganten Überfluss hatte ich natürlich auch artgerecht meine Flip-Flops an! Dem Watsch-Spaß durch den nun aufgeweichten Schlammweg stand nichts im Wege. Der schöne Ausblick über Hanga Roa entschädigte jedoch jegliche Strapazen.


Ein paar Ausrutscher später kamen wir endlich am Krater des gigantischen Rano Kau an. Kurz mussten wir innehalten um die Magie dieses Ortes einzusaugen, den wir zu allem glücklichen Überfluss auch noch für uns alleine hatten! Uns offenbarte sich ein riesiger Süßwasser-Sumpf inmitten des Kraters, der hin und wieder von Seevögeln mit kurzen, schrillen Schreien belebt wurde. Ein Loch auf der Nordseite des Kraters erlaubte ebenfalls einen Blick auf das weite blaue Meer, das jedoch ganz an Bedeutung neben diesem vulkanischen Riesen verlor.



Und weil's so schön war, noch der Panorama-Shot!


Inzwischen klatschnass erreichten wir nach der halben Umrundung des Kraters die kleine Zentrale des Nationalparks "Orongo" am nördlichen Ende des Vulkans. Das immer noch nicht besser werdende Wetter gab uns die perfekte Chance um A: die Blasen zu leeren und B: alle Informationen der kleinen Ausstellung über Orongo und den Vogelmann-Kult durchzulesen, die sehr ansehnlich und kompakt an die Wände gehängt waren.

Als der gelbe Freund sich endlich wieder hinter den Wolken sehen ließ, beschlossen wir die ebenfalls komplett leeren Ruinen endlich zu besichtigen. "Orongo" erhält definitiv das Ruinen-Prädikat "Steine über Steinen vor Steinen unter mehr Steinen die neben Steinen liegen". Nicht jedoch, weil durch Verwitterung und menschliche Dummheit die Gebäude bis zur Unkenntlichkeit geschunden wurden, sondern weil die Behausungen der damaligen polynesischen Ureinwohner genau das waren.


Die Eingänge versprechen alles andere als Komfort, jedoch konnte man sich so ideal gegen die unberechenbaren und kalten Passatwinde schützen, die die Insel immer wieder heimsuchen. Auf dem Vorplatz spielten sich, wie man vermutet, die Zeremonien rund um den Vogelmann-Kult ab.

So fand nämlich jährlich ein Wettbewerb zur Ernennung des einjährigen Postens des Vogelmannes, dem höchsten Rang im Volke statt. Die tapfersten Männer schwammen von der Küste aus zur nahe liegenden Insel "Motu Nui" wo eine gewisse Zeit im Jahr eine Schwalbenart zuhause ist, die von den Inselbewohnern als Gottheit verehrt wurde. Die Männer verharrten solange auf der Insel bis einer das erste Vogelei des neuen Jahres fand - er war nun offiziell Vogelmann für die nächsten 365 Tage.




Irgendwie beneide ich das Orongo-Völkchen ja doch; Ich glaube niemand sonst konnte im Vorgarten ein kleines Inselchen mit Vögeln und im Hinterhof einen riesigen Vulkankrater sein eigen nennen. 

Auf dem Rückweg warfen wir noch einen Blick auf die in Stein gemeißelten "Petroglyphen", die Bildschrift der Ureinwohner. Hier wurden sowohl Fische, Vögel als auch Hybride aus Vogel und Mensch abgebildet - Vogelmann eben!


Am Nachmittag konnte ich es mir nicht nehmen lassen noch eine Runde in diesem einzigartigen Ambiente laufen zu gehen. Es ist ja nicht alle Tage, dass man beim joggen waschechte Moai zu sehen bekommt oder?


Beim Sonnenuntergang und dem verdienten Feierabend-Bier verabredeten wir uns mit zwei anderen Hostel-Gästen morgen in aller früh zum berühmtesten Moai-Altar dem "Ahu Tongariki" zu fahren um den wahrscheinlich imposantesten Sonnenaufgang auf diesem Planeten zu besichtigen. Freut euch schonmal!

Un abrazo,

Niclas

Montag, 24. Dezember 2012

Iorana, Rapa Nui!

Irgendwo inmitten des Pazifik liegt ein gerade mal 160 Quadrat-Kilometer großes Eiland. Im Umkreis von knapp 4000 Kilometern gibt es kein Anzeichen von weder Land noch Zivilisation - der offiziell entlegenste Ort der Welt.

Was treibt jemanden dann überhaupt auf jene Insel, die ihren Namen vom holländischen Entdecker Jakob Roggeveen am Ostersonntag 1722 bekam, dem Tag an dem erstmals die westliche Zivilisation Fuß auf diese von 3 großen Vulkanen erschaffene Insel setzte?

Für mich war es die Mystik, die dieser sagenumwobene Ort aufgrund seiner Geschichte, Lage und Monumente ausstrahlt - und um sagen zu können, dass man mal auf der Osterinsel war ;-).

Flüge werden nur von einer Airline - LAN (der chilenischen National-Airline) - und 3 Flughäfen (Santiago, Lima und Papeete auf Tahiti) aus angeboten. Inzwischen fliegen sie auch schon täglich und so konnten wir uns den Flug gemütlich aufs Wochenende buchen, um nicht zu viele Tage freinehmen zu müssen.


"In-Flight Entertainment!"

Nach dem sehr gemütlichen 5-stündigen Flug begrüßte uns ein feuchtes, aber sehr angenehmes 25° Klima am klitzekleinen "Mataveri Aeropuerto" in der 4000 Einwohner Osterinsel-Metropole "Hanga Roa".


Direkt am Flughafen kauft man auch seine Eintrittskarten für die zwei Nationalparks "Orongo" und "Rano Raraku". Wir, ausgestattet mit einer einjährigen chilenischen Staatsbürgerschaft, bekamen die Eintrittskarte anstatt für 60 für läppische 10 Euro!

Abgeholt wurden wir vom Besitzer des Hostels in dem wir die nächsten 6 Nächte verbringen würden. Natürlich durfte, so wie das auf allen polynesischen Inseln bekanntlich Brauch ist, der Blumenkranz als Willkommens-Geschenk nicht fehlen - IORANA!


"Wer sich immer noch fragt: "Iorana" = rapanui für "Hallo/Willkommen""

Wohnen sollten wir auf einem Campingplatz, jedoch in einem Doppelzimmer mit Privatbad. Für den unfassbaren Preis von 15€ p.P. die Nacht nisteten wir uns sehr gerne dort ein! Man überlege sich mal, wie hoch die Hotelpreise wären, wenn diese Insel Deutschland gehören würde - Que viva Chile!

Es war zwar schon etwas später am Nachmittag, aber eine kleine Erkundungstour durch Hanga Roa war auf jeden Fall noch drin! Alle Sachen abgelegt ging es also entlang der "Hauptstraße" ein paar Minimärkte abklappern um Essen zu kaufen - der einzige Nachteil am Hostelpreis, wir mussten uns komplett selber ernähren!


"Atamu Tekena - die belebte Hauptstraße Hanga Roas"

Leider ist nicht ALLES rosig, wenn man auf dieser paradiesischen Insel lebt. Die Preise sind, wie man sich vorstellen kann, aufgrund des langen Transportweges unverschämt teuer. Zähneknirschend musten wir somit für das 6-Pack Dosenbier für 10, die Packung 400g Spaghetti für knapp 3 und die dazugehörige Soße 250ml für 2 Euro tief in die Tasche greifen.

Wir schlenderten ein bisschen weiter und kamen am Fußballplatz vorbei, wo zufällig gerade die zwei örtlichen Clubs ihr wöchentliches Aufeinandertreffen austrugen. Mit deutschem Fußballblut in den Venen und zufällig 6 Bier in der Einkaufstüte, gab es natürlich keine andere Option als sich gemütlich den ersten Schluck Gerstensaft nach einem langen Tag bei "Stadionatmosphäre" zu gönnen.



"Live dabei in der hitzigen Halbzeit-Ansprache"

Zurück im Hostel gönnten wir uns jeder ein Fläschchen des lokal!!! gebrauten Porters "Mahina". Dafür, dass es das entlegenste Starkbier der Welt ist, ist es verdammt noch mal lecker!


Erwähnte ich schon, dass unser Campingplatz perfekte Lage mit direktem Blick auf Steilküste und Meer hatte? Zusammen mit der Tatsache, dass sich Hanga Roa auf der Westseite, und somit Sonnenuntergangs-Seite befand ein wahrer Glücksgriff!

Bevor wir uns jedoch vor der Haustür dieses Spektakel zum Tagesabschluss angucken wollten, beschlossen wir noch einen kurzen Trip herunter zum Hafen zu machen um unseren ersten, waschechten Moai zu betrachten!


"Hafen Hanga Roa"


"Der erste von vielen Steinköpfen"

Auf dem Weg zurück erlebten wir dann unseren ersten Sonnenuntergang im Paradies. Dem Rauschen der sich am Kliff berstenden Wellen lauschend beobachteten wir, wie die Sonne langsam in den Weiten des Pazifiks versank. Ein paar gute Aufnahmen sind uns auch gelungen:




Später wurden wir noch von Kenji, einem Japaner der ebenfalls auf dem Camping Platz wohnte, dazu eingeladen für 5 Euro ein waschechtes japanisches Fisch-BBQ zu bekommen. Wer hätte gedacht, dass wir am ersten Abend schon kulinarisch mit gegrilltem Fisch und Sashimi inklusive original japanischer Soya-Sauce verwöhnt werden sollten. 

Ein durchaus gelungener Abschluss eines sehr aufregenden ersten Abends! Mal sehen, welche Abenteuer morgen so auf uns warten....

Un abrazo,

Niclas

Samstag, 22. Dezember 2012

Ra-Ra-Ra Rangers de Talca!!

So verschieden eine Kultur auch sein mag, es gibt eine Leidenschaft, die die Menschen in fast jedem Winkel der Erde verbindet: das Spiel mit der runden Kugel. Genau wie in Deutschland dreht sich hier in Chile Samstag mittags alles um König Fußball. Das ganze Land verfolgt dann z.B. den "Clasico Chileno" zwischen "Colo-Colo Santiago" und der "Universidad de Chile", den zwei größten Namen im chilenischen Fußball, live vor der Mattscheibe.

Der Fußballclub meiner neuen Heimat, "Rangers de Talca" ist glücklicherweise letztes Jahr zurück in die "Primera División" gekehrt. So konnte ich die sehr gute "Clausura-Saison" (es gibt hier nur Halbjahresmeisterschaften: Apertura "Eröffnung" und Clausura "Beendigung") der Talquinos jedes Wochenende im TV mitverfolgen - schließlich muss man hier in Chile für Auswärtsspiele im Extremfall 2000km fahren!

Die besten 8 Mannschaften jeder Halbjahres-Saison spielen schlussendlich im "Play-Off" um die Meisterschaft. Mit dem solide erspielten 4. Platz durften also auch die "Rangers" einen Teil des Kuchen abhaben.

Das Rückspiel im Halbfinale der "Play-Offs" fand ich als gute Gelegenheit meine ersten chilenischen Stadionerfahrungen zu sammeln. Auf dem Weg zum Stadion schlossen wir uns bereits einer kleinen Prozession der Blockfans an.



Das erste was auffällt, wenn man das Stadion betritt, sind die Sicherheitsvorkehrungen. Das Sicherheitskonzept der DFL und DFB, das in Deutschland zurzeit für Aufregung sorgt ist im Vergleich - überraschenderweise - nichts im Gegensatz zu Chile. Der Stehplatz ist längst abgeschafft, rund 20 Polizisten am einzigen Eingang überprüfen JEDEN Besucher und ALLE Handtaschen, und Alkohol ist im Stadion absolut VERBOTEN!!!

Auch wer auf die intelligente Idee kommen sollte sich eben vorher einen ordentlichen Vorrat an Bier in den Bauch zu bechern wird enttäuscht - Eintritt ohne jeglichen Einfluss von Alkohol! Trotzdem leidet die Stimmung keineswegs an den verschärften Regeln; vielmehr wird das ganze Spiel - auch über den Block hinaus - gesungen und lautstark angefeuert.




Das Spiel hingegen ist für ein vom hoch entwickelten deutschen Fußball verwöhntes Auge das absolute Grauen. Fehlpässe ins Nirgendwo, der Torwart mit Ausflügen bis zu 10m außerhalb des 16ers und lauffaule Spieler sorgen für Verzweiflung in der Anhängerschaft - Prädikat höchstens 3. deutsche Bundesliga. Meinen Spaß hatte ich trotzdem beim Lernen und Mitsingen der Lieder - schade nur, dass wir nach einem 1:1 ausschieden und nun im nächsten Jahr den erneuten Anlauf auf die Meisterschaft vornehmen müssen.

Ansonsten brach die letzte Woche für alle Studenten vor den Sommerferien an, was gleichzeitig hieß, dass auch alle europäischen Austauschstudenten so langsam zurück in ihr Land fliegen müssen. Somit stand die ganze Woche ganz im Zeichen von Abschiedspartys und dem ein oder anderem Abschiedsessen.


Ist immer wieder schön so gute Bekanntschaften zu machen, da wir uns alle in der selben Situation befinden!

Dieser soll ein kurzer Beitrag werden, da nun die nächsten Tage mein ausführlicher Erfahrungsbericht meiner Reise auf die Osterinsel folgt. In diesem Sinne:

Abrazos,

Niclas

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Ein paar Ereignisse...


Fast von jedem Chilenen mit dem ich darüber rede, welche Orte ich in Chile bereits besucht habe und was meine Reisepläne für die Zukunft sind, muss ich mir folgende Sätze anhören: Version A "Mann, am Ende kennst du ja mehr von Chile als ich selbst!" oder Version B "Von der Hälfte dieser Orte hab ich in meinem Leben noch nie gehört!"

In der Tat wissen Chilenen sehr wenig um die Naturschönheiten, die manchmal direkt vor ihren Augen liegen. Vielleicht kennen wir diese Plätze aber auch nur, weil wir uns als Besucher sowieso intensiver mit dem Land und unseren Reisemöglichkeiten beschäftigen.

Eine dieser fast unbekannten Perlen der chilenischen Natur wollten wir zusammen mit Frank, ein deutscher (eben er als Ausländer kennt diese Plätze ja ;-)) Reiseführer, der hier in Talca den Stammtisch organisiert, besuchen: Den Salto Arco de Iris (Regenbogenwasserfall) nah an der Grenze zu Argentinien, hoch oben in den Anden.

Proviant und Wanderlust eingepackt ging es früh morgens mit dem Mini-Van in Richtung Kordillere.
Der Pass nach Argentinien ist eigentlich nur im Sommer offen, da im Winter zu viel Schnee und Steinschlag-Gefahr ist. Mit einer Sondergenehmigung durften wir aber trotzdem durch die Kontrolle - in 2 Wochen wird er eh eröffnet.

Am Ausgangspunkt angekommen begrüßte uns ein mäßiger Wind und rund 15° Außentemperatur. Wenn die Sonne nicht scheint purzeln die Grade hier in Chile in Sekundenschnelle! 



Nach ein paar Minuten wandern durch die karge Landschaft konnten wir schon das erste Highlight auf unserer Tour bewundern: Der "Backenzahn des Teufels"! Es ist irgendeine Form von Sandstein und hat sich über die Jahre so geformt - sieht interessant aus, nicht?



Über Stock und Stein ging es an den Ufern des "Río Maule", dem namensgebenden Fluss unserer Region entlang, bis wir schon einen ersten Blick auf den "Salto Arco de Iris" werfen konnten.



Das Wetter spielte im entscheidenden Moment auch super mit und so hatten wir binnen 5 Minuten einen glasklaren Himmel und 10 Grad mehr auf dem Thermometer! Die Berge sind echt tückisch, ich habe an diesem Tag meine Jacke gefühlte 50 Mal aus und wieder angezogen!

Bis zu unserem Picknick-Stopp am Fuß eines anderen Wasserfalls ging es aber noch ein Stückchen weiter durch das malerische, fast schon unwirklich erscheinende Tal. Ich lasse euch hier kurz mit ein paar Impressionen alleine:




Nach rund 2 Stunden Wanderung kamen wir schließlich an besagtem Wasserfall für eine kleine Stärkung an. Frank hatte Brot, Käse und Schinken für den kleinen Hunger mitgebracht. Leider schlug das Wetter wieder um und wir mussten unser Sandwich bei gefühlter Windstärke 12 verzehren.



Zurück zum Auto ging es also wieder den gleichen Weg, jedoch bei sich immer weiter zuziehenden Wolken. Dort angekommen fuhren wir noch weitere 6 Kilometer östlich um an den Abgrund des eben bewunderten "Salto Arco de Iris" zu kommen. Leider wurde es immer ungemütlicher und auch die ersten Wassertropfen landeten auf meinem Gesicht.

Nichtsdestotrotz sollte dem eigentlichen Highlight nichts im Wege stehen - zumindest von meiner Seite aus. Also wechselte ich schnell in meine Badehose und quälte mich zitternd bei nun knapp 7 Grad zur Wasserkante. Egal wie - es musste nur irgendwie schnell gehen - wollte ich in dem sich natürlich geformten Schwimmbecken 3 Meter vor dem 150m steilen Abgrund baden gehen!



Bereuen sollte ich es trotzdem nicht: Nach dem knapp 2-minütigen Badegang fühlte ich mich wie neugeboren und fast resistent gegen jede Art Wind oder Kälte die noch in unserer Umgebung herrschte ;-).



Umgezogen und ein Gruppenbild später ging es noch ein bisschen das Tal entlang bis wir uns schließlich aufgrund des immer stärker werdenden Regens entschieden die Heimreise anzutreten. 



Eigentlich sollte der Rückweg auch wieder nur 1 1/2 Stunden dauern, aber es machte uns eine ganz eigene chilenische Tradition einen Schnitt durch die Rechnung: Wenn in Chile nämlich bedeutende (oder reiche) Persönlichkeiten sterben, wird eine extravagant große Feier veranstaltet. Um jedoch zum Friedhof zu kommen versammeln sich die rund 300 Menschen mit ihren knapp 150 Autos am Haus des Toten und bilden von dort aus eine Karawane die in SCHRITTTEMPO!!!! zum Friedhof fährt. Natürlich gerieten wir in genau so eine auf der EINSPURIGEN Landstraße zurück nach Talca….Erneute Geduldsprobe für mein deutsches Gemüt, da wir rund 1 Stunde hinterher tuckern mussten.

Gut ausgeschlafen ging es Freitags munter auf die Arbeit. Für heute stand ein Ausflug an den "Río Claro" mit den älteren Herrschaften an, um zu grillen und ein wenig Abwechslung in die Tagesroutine zu bekommen. Zusammen mit unserem Busfahrer, der die 20 abuelitos samt Essen und Geschirr an den Fluss befördert hatte, sollte ich mich um das asado kümmern; bzw. zuerst einmal um das Feuer.

Nicht schlecht gestaunt habe ich, als der Busfahrer zur Holzkohle die Plastiktüten dazuwarf um das Feuer schneller zu entzünden! Als ich im erzählt hab', dass das ziemlich krebserregend wirken kann, hat er mich wie aus allen Wolken fallend angeguckt und sie sofort entfernt - gerade an Aufklärung von gesundheitsschädlichen Dingen leidet es in diesem Land. Stattdessen werden "light" Produkte wie am Fließband verkauft und auch noch als "viel gesünder" und "weniger fettmachend" betitelt. Die breite naive Masse glaubt das dann leider.

Trotzalledem habe ich nun endlich gelernt, wie man denn ein leckeres chilenisches asado anfertigt. Zuerst wird nämlich der Grill mit einer Zwiebel bestrichen. Danach wird das Fleisch (roh und ohne Gewürz) kräftig mit Salz eingerieben und auf das Blech geknallt! Klingt simpel ist aber unfassbar lecker - und BBQ Saucen braucht man auch keine!



Ein lokaler Sänger war von einer Mitarbeiterin eingeladen und bedudelte uns noch den Rest des Ausfluges mit chilenischen Klängen während sich alle am leckeren Essen und guten Konversationen erfreuten.



Am Abend trafen sich die Ausländer Talcas um zusammen die letzte Woche einiger unserer Freunde, die wieder in ihre Länder in aller Welt zurückkehren, einzuläuten. Zur Feier des Tages hatten wir in einem talquinischen Club eine Party organisiert um dies auch gebührend zu feiern. Der Bus, der sogar extra organisiert war um uns vom Campus zum Club zu fahren, kam aber nie - wenn man von einem Taxifahrer o.ä. gesagt bekommt "Ich bin in 10 Minuten da" fängt man hier generell besser schonmal an zu laufen. Gottseidank gibt es aber Privattaxis, deren Fahrer man auch unter der Woche aus dem Schlaf klingeln darf - Wir kamen deshalb trotzdem noch rechtzeitig an.

An diesem Tag startete auch DAS wichtigste Event für die Chilenen nach ihrem Nationalfeiertag, dem 18. September. Wer da an irgendein anderes wichtiges Datum wie z.B. den Neuanfang als Demokratie 1990 denkt, liegt denkbar falsch..

Der TELETON ist vom 30-1. Dezember das Thema von dem jeder spricht. 48 Stunden läuft dann auf allen 5 nationalen Kanälen eine Charity-Show, die immer wieder Geschichten von Kindern erzählt, die ein schweres Schicksal erleidet haben. Zeitgleich sind alle Banken in allen chilenischen Städten geöffnet um Spenden von den Leuten einzusammeln. Wie verrückt rennt dann jeder zur nächstbesten Bank um ein paar Luka, wie die 1000 Peso Scheine hier genannt werden, in die Trommel zu werfen.

Alles schön und gut. Die traurige Seite ist, dass sich den Rest des Jahres keiner um diese Kinder schert. Ob das gespendete Geld schlussendlich auch seinen Weg zu den Bedürftigen findet, ist ebenfalls anzuzweifeln. Generell bekommen diese Kinder KEINERLEI Unterstützung des Staates. So etwas wie den Behinderten-Ausweis gibt es hier nicht.

Ich liebe die Chilenen, aber König Fernseher ist hier die Gottheit…Andere (effiziente) Meinungsresourcen gibt es wenig und so glaubt die Mehrheit alles, was ihnen in der Mattscheibe schönes erzählt wird. 

Hier zwei aktuelle Beispiel-Märchen, die das Fernsehen wie verrückt breittretet und die Öffentlichkeit schluckt:

1. Die Welt geht am 21. Dezember unter.
    - kein Spaß, es gibt Leute die jetzt schon wie wild hamstern!

2. Geht die Welt nicht unter, verschwindet die Sonne vom 21-24. Dezember und es ist 3 Tage dunkel.
- Na dann, sie ist bestimmt nur kurz einkaufen...


Einen mayanischen abrazo,

Euer Niclas

Mittwoch, 5. Dezember 2012

1,2,3 UCM!!!!!

"Die Chance klopft öfter an als man meint, aber meistens ist niemand zu Hause." - In meinem noch jungen Leben habe ich genau eines aus diesem Sprichwort des amerikanischen Humoristen Will Rogers gelernt: Gelegenheiten sind überall, aber die meisten Menschen vergessen links und rechts nach ihnen Ausschau zu halten und sie bei der Hand zu packen.

Da mir wie in den USA, nur ein Jahr in Chile bleibt, um möglichst viel mitzunehmen, habe ich mich automatisch in einen Gelegenheits-Sucher entwickeln müssen. Und ich muss sagen, ich bin wohl ziemlich gut darin ;-).

Da ich die Suche nach einer Handball-Mannschaft damals nie aufgab, ergab sich mir das einzigartige Erlebnis - wie das letzte Mal berichtet - an den nationalen chilenischen Handball-Meisterschaften mit dem "Club Deportivo Universidad Catolica del Maule TALCA" teilzunehmen!

Dienstag bis Samstag war also Handball-PUR! angesagt. Und wie es sich für ein Event von nationaler Größe gehört bekamen wir auch alle 4 Tage Vollpension im Windsor-Suites Hotel in Santiago spendiert - not bad!


"Wir kommen an!"


"Dem Luxus nicht zu wenig - eine Terrasse mit Blick auf den Hügel Santa Lucía"


Los geht's mit:

TAG 1:

Frisch eingecheckt ging es direkt den Kohlenhydrat-Spiegel beim Mittagessen mit leckerer Pasta auffüllen - schließlich mussten wir noch diesen Nachmittag unser erstes Gruppenspiel gegen den Vertreter der südchilenischen Stadt Valdivia - CD Kimeltu - bestreiten.

Schuhe, Trikotsatz und Flüssigkeiten eingepackt, holte uns der Reisebus Punkt 16:00 am Hotel ab um uns ein erneutes Mal zum CEO zu bringen. Schon vor dem Eingang stand ein riesiger Van des Fernsehsenders CDO, der unsere heutige Partie live im Pay-TV übertragen sollte - Was für eine supergeniale Sache!



Generell war ich sowohl begeistert als auch ziemlich überrascht über den finanziellen als auch medien-technischen Aufwand, den man hier für uns betrieb! Handball ist schließlich immer noch eine Randsportart in Chile (das ist aber auch jeder Sport außer König Fußball).

Nach kurzen Interviews der Trainer und Aufstellung der Mannschaften am Mittelkreis, durften wir kurz in die Kamera winken bevor das Spiel, gepfiffen von Nationalspieler Victor Donoso(!!), endlich losging. Es war ein enges Spiel, das aufgrund vieler individueller Fehler jedoch immer zugunsten einer Mannschaft fiel. Am Ende entschieden wir die Partie jedoch mit 35:30 für uns. Was für ein Einstand! Unser Ziel, mindestens einen Sieg aus dem Turnier mitzunehmen und somit wenigstens für das Spiel um Platz 5 zu qualifizieren, erfüllte sich bereits am ersten Tag!




Auch ich hatte keinen schlechten Tag erwischt und wurde mit 10 Toren zum Spieler des Spiels gewählt - inklusive Interview mit der durchaus heißen Moderatorin! Ich weiß nicht ob es an ihr lag oder meiner Erschöpfung, dass ich trotzdem nur irgendwelchen Kauderwelsch herausbrachte - souverän gemeistert Herr Gottmann!

Der Aufregung nicht genug kam ich kurz nach dem Spiel noch zu einer ganz besonderen Ehre: der Trainer der Nationalmannschaft höchstpersönlich (er führte Chile bereits zur WM und London 2012) lud mich zur Seleccion ein und fragte mich, ob ich denn irgendein offizielles chilenisches Dokument besäße.

Leider besteht die einzige Möglichkeit im D-Zug chilenischer Staatsbürger zu werden darin, eine Chilenin zu heiraten (was als blonder Europäer leichter ist als sich mit einer besoffenen Amerikanerin in Vegas zu liieren)...Ich mit meinen knapp 20 Umrundungen aber fühle mich da noch ein bisschen zu jung um vor den Altar zu treten!

Also musste ich schweren Herzens verneinen - kein Rio 2016 für mich haha!

Was für ein Tag, irgendwie fühlt man sich dann doch auch fast wie ein Profisportler mit Hotelleben zusammen mit den anderen Mannschaften, Bustransfer und Fernsehübertragung ;-)

Nach einem Siegerbier ging es dann aber auch ab ins Land der Träume um am nächsten Tag fit zu sein, denn...

TAG 2:

...es ging zum ersten Mal gegen eine Mannschaft mit Nationalspielern. Ausgeschlafen und mit einem herzhaften Frühstück im Gepäck ging es in Richtung Halle. Unser Spiel wurde heute nicht übertragen, was im Nachhinein auch ganz gut war so.

Denn wie man so schön sagt kommt nach dem Hochmut der Fall und mit ihm eine 53:23 Klatsche!
Man merkte, dass die Mannschaft angeschlagen vom gestrigen Spiel war und uns fehlte im Kollektiv die Motivation und Zusammenarbeit. Und dann verliert man auch mal so hoch!

Es war trotzdem eine geile Erfahrung einen Nationalspieler decken zu müssen, der zudem schon bei den beiden bedeutendsten Turnieren im Handballsport teilnahm! - Chancen diesen 2,05m Koloss auszuschalten hatte ich kaum...aber ich musste auch halb decken, was nicht unbedingt meine Stärke ist ;-).



Zumindest gewann am Abend das lokale Fußball-Team aus Talca ihr Viertelfinal-Hinspiel der chilenischen Play-Offs...ein kleiner Wermutstropfen.

TAG 3:

Der im Turnier für mich als Feldspieler aufregendste Tag, da im gegnerischen Tor die Nummer 1 der Nationalmannschaft Felipe Barrientos zwischen den Aluminium-Pfosten stand! Ein waschechtes Finale um den Halbfinal-Einzug zudem, da beide Mannschaften mit jeweils einem Sieg und einer Niederlage in die Partie gingen.


"Das ist der Typ!"

Wir kämpften hart aber verloren schließlich auch die zweite Partie in Folge mit 32:17. Zumindest war unser Auftritt diesmal ganz anders als eklatant, wie der vom Vortag. Mein eigenes kleines Erfolgserlebnis war jedoch die hervorragende Quote gegen Barrientos: 6 von 9 Würfen waren im Netz, dazu auch ein 7-Meter. Ihr könnt euch nicht vorstellen was für ein geiles Gefühl das ist im 1-1 beim 7-Meter vor einem Olympia und WM-Torwart zu stehen - GEIL!

Auch diese Partie wurde nicht aufgenommen, jedoch bekamen wir eine DVD mit der ersten Partie, die wir zurück im Hotel 3 Stunden lang analysierten und uns für das am nächsten Tag folgende Spiel um den 5ten Platz vorzubereiten. Ebenfalls ein geiles Andenken, da ich jetzt diese professionelle Aufnahme mit Kommentatoren, Zeitlupe und meinem Interview besitze!

So langsam spürte ich aber auch jeden einzigen Knochen und Muskel meines Körpers - 3 Tage in Folge 60 Minuten durchspielen geht an die Substanz.

TAG 4:

Das letzte Mal ging es heute zurück in die Halle um besagtes Spiel um den 5ten Platz gegen den Vertreter aus Puerto Montt, eine Stadt ebenfalls im Süden Chiles zu absolvieren. Sie hatten sich zur Feier des Tages alle einmal quer die Haare rasiert - was bescheuertes hab ich in meinem Leben vorher noch nie gesehen. Also entweder alles ab oder alles drauf - aber bitte nicht halb ab!


"Gruß in die Kamera"

Mit ungefähr 70% mir noch verbleibender Energie musste ich also wieder 60 Minuten auf den Platz und wurde zudem noch Mann gedeckt...heißt: freilaufen - und das kostet!


"Man beachte die Haarpracht des Gegners!"


Die Halbzeit lag ich komplett hechelnd auf dem Boden, es wird langsam echt Zeit mal wieder Platz zwischen den Rippen zu schaffen und intensiv Sport zu treiben ;-).

Das Spiel ging vor laufender Kamera leider mit 32:28 verloren, was uns aber trotzdem einen versöhnlichen 6ten Platz in der ersten chilenischen Meisterschaft im Handball besorgte! Bedenkt man, dass im kompletten Qualifikationsprozess ganze 32 Mannschaften teilgenommen haben, klingt 6ter ja auch gar nicht mal soooo schlecht ;-)

Da man uns noch eine Nacht im Hotel schenkte, entschieden wir uns dieses Angebot auch wahrzunehmen und Santiago unsicher zu machen. Nachdem ich mich kurz mit Ronja getroffen hatte, die zufällig auch gerade in Santiago unterwegs war, ging es ab nach Bellavista, wo ich nicht unweit vom Pablo Neruda Haus mit ein paar Freunden die erfolgreiche Woche ausklingen ließ, bevor es am Samstag-Mittag wieder nach Talca ging.

Was dort wieder spannendes passiert ist, das erzähl ich euch beim nächsten Mal!

Abrazos,

Niclas

Montag, 26. November 2012

Ein Viertel ist rum!

12 Minuten vorbei, der Buzzer tönt, kurze Verschnaufpause, etwas trinken, kleine Verbesserungen in der Taktik vornehmen und zurück hinein es ins Spielgeschehen.

In diesem Fall sind es jedoch - nicht wie im Basketball - 12 Minuten, sondern ganze 3 Monate, die ich jetzt schon in diesem wunderbaren Land am anderen Ende der Welt verbracht habe! Und ganz genau wie ich das befürchtet habe, kommt es mir wie gestern vor, dass ich aus dem Flieger hinein ins Ungewisse trat.

Die Zeit fliegt - ich genieße mein chilenisches Leben so unglaublich, es ist fast schon unheimlich! Meine wöchentliche Routine, meine Arbeit, meine Gastfamilie, meine Mannschaft, meine unzähligen Freunde die ich bis jetzt gemacht habe - sie machen es hier echt unglaublich erträglich ;-)

Deswegen kommt heute, bevor ich meine Erzählungen der Woche beginne ein kleines Zwischenfazit:

Sprache: zu 90% perfektioniert - ein bisschen fehlt im wirklich schnellen und flüssigen Sprechen noch die grammatikalische Stabilität aber verstehen tu ich nun sogar die Ekzessiv-Nuschler.

Gesundheit: Keine Probleme bis jetzt gehabt, während um mich rum die halbe Ausländer-Welt die Kotzerei hatte - Actimel lohnt sich also doch ;-)

Essen: So verdammt lecker aber fettig wie nie! Extra Portion Mayo, Olivenöl und Butter gehören hier zum guten Ton - mit viel Training halte ich meinen Körper aber trotzdem intakt (harte Arbeit :(!)

Die Leute: Trotz vieler Warnungen und Vorurteile sind sie keineswegs so oberflächlich wie man mir das gesagt hatte! Vielleicht ein bisschen faul aber ihr Wort halten sie trotzdem, jedoch mit ordentlichem Zeitpolster ;-)

Meine Arbeit: Macht Spaß, nicht zu stressig und immer wieder voller neuer Lebenserfahrungen und Offenbarungen - Volltreffer!

Nachtleben: 1A! Da Talca die Nr. 1 Studentenstadt Chiles ist (nach Santiago) wird es hier nie langweilig und die Preise sind auf Studenten abgestimmt.

Reisen: Eine Offenbarung - Ich war noch nie an schöneren, magischeren Orten! Und das Beste kommt alles noch!

Spaß: zu 110% am Genießen :-)

So war mein Wochenende auch wieder voll von Ereignissen: Freitags trafen wir uns im Wohnblock einiger Freundinnen von uns, die das Dach für die Nacht gemietet hatten. Ja, wir hatten ziemlich dekadent die Dachterrasse zum Feiern - das gute dabei: für nur 50 Euro!

Mit den 30 engsten Bekannten und einem blinden Passagier, eine kleine Python die ein Mitbewohner mit auf die Party brachte, genossen wir bei ein paar Bierchen und dem ein oder anderen Piscola die wunderbare Aussicht über die in der Dunkelheit grellgelb leuchtenden Dächer Talcas - WOW!

Die Nacht war kurz denn schon um 7 Uhr musste ich aufstehen und meine 7 Sportsachen packen um mit meiner Mannschaft nach Santiago zu düsen: Qualifikationen für die nationale Meisterschaft!

Zu 12 inklusive Trainer machten wir uns auf die knapp 3 stündige Reise zum CEO (Centro de Entrenamiento Olímpico) also dem nationalen Olympia-Stützpunkt in Santiago. Sofort begeistert war ich vom Hallenboden, der gut einem Handballbundesliga-Boden gleich kommen konnte!


Spielen mussten wir gegen den Club "O'Higgins Balonmano" aus Rancuagua, eine Stadt knapp 2 Stunden nördlich von Talca. Es ging um das letzte von 8 Tickets für das Turnier in der folgenden Woche.



20 Minuten aufgewärmt und die Schiedsrichter waren auch schon bereit die Partie anzupfeifen - ich war gesetzt auf Linksaußen. Auch den kleine Adrenalinstoß kurz vor Anpfiff, den ich so vermisst habe konnte ich endlich wieder spüren - es war Zeit für Handball und es ging um Großes!

Zum ersten Mal werden nämlich die chilenischen Meisterschaften ausgetragen und wir als junger Club wollten natürlich zu diesem historischen ersten Turnier dazugehören!

Den Start verschliefen wir völlig und lagen bald mit 3:8 hinten. Es sind diese Momente, in denen du echt am kämpfen bist: gibst du auf oder kämpfst du weiter? Wir entschieden uns im Kollektiv gottseidank für die zweite Option und verschlossen unsere Abwehr regelrecht im nächsten Abschnitt um mit 13:11 in die Pause zu gehen.

Den Vorsprung gaben wir auch nicht mehr aus der Hand und gewannen deutlich mit 29:20. WIR GEHEN ZU DEN MEISTERSCHAFTEN - Das bisher genialste Gefühl meines chilenischen Auslandsjahr!

Und hier sind die Qualifikations-Helden:


Danach ging es zur Entspannung in Richtung Mall für's Gewinner-Essen. Ich verabschiedete mich von meinen Teamkollegen, die sich wieder auf den Weg nach Hause machten und nahm die Metro in Richtung Providencia, wo ich mein Hostel für die Nacht gebucht hatte - den Erfolg musste man schließlich feiern ;-)

Gebucht hatte ich ein 4-Bett-Zimmer, gesteckt wurde ich natürlich in ein nettes (viel) zu kleines 8-Bett Zimmer mit immerhin 3 netten Engländerinnen aber 4 absolut dubiosen älteren Männern. Und natürlich: der Kollege unter mir begrüßte mich schon tief schlafend und lautstark mit seiner Nasentrompete...Einer von 8 muss es schließlich sein, der die Mitbewohner nachts mit in die Schnarch-Hölle entführen muss - na SUPER!

Dem kann nur vorgesorgt werden, in dem man sich vorher das ein oder andere Bierchen gönnt und so traf ich mich mit einigen meiner Ausländer-Freunde in Bellavista zum Abendessen. Nach einer eher unspektakulären Nacht kam ich gegen 3 an mein Hostel. Doof nur: die Tür war zu und Niclas kein Schlüssel - verdammter Idiot. Gott sei Dank kamen mir die Engländerinnen zu Hilfe, die zufällig auch gerade nach Hause kamen. Dann der nächste Coup - meine Sachen lagen auf einmal auf einem anderen (UNGEMACHTEN) Bett und irgendein anderer sich in den besten Jahren befindende alte Sack hatte es sich in meinem Bett bequem gemacht. Ich entschied mich ausnahmsweise gegen mein deutsches Rechthaber-Temperament (dafür war ich nun eh zu müde und wollte den Rest nicht aufwecken) und legte mich schweren Herzens in mein neues, ungemachtes Bett - besser konnte es kaum laufen!

Froh war ich, als ich Sonntag morgens aus dem Hostel fliehen konnte und mich auf den Rückweg nach Talca begab. Abends ging es noch zu einer deutschen Freundin, die ihren Abschied aus Talca feierte. Das leckere Asado war definitiv eine Entschädigung für die eklatante Nacht die ich hinter mir hatte (man bedenke außer Schnarcherich unter und Bettvertauscher neben mir noch den um 5 morgens völlig zerzaust und besoffenen 50 jährigen Mann, der in unser Zimmer kam und sich einfach in irgendein Bett lag). 

Der Aufregung nicht genug hatten wir den Montag danach auch den bisher ereignisreichsten Arbeitstag im Hogar de Cristo: Als wir gemütlich beim Mittagessen im Büro meiner Chefin saßen, trat auf einmal ein völlig verunsicherter und den Tränen naher Mann um die 40 ein. Als wir ihn beruhigt und hingesetzt haben begann er uns eine Geschichte zu erzählen von wegen er wurde von seinem Vater jahrelang eingesperrt und vergewaltigt. Heute Nacht hätte er ihm Schlafpillen in den Tee gemacht und wäre irgendwie geflohen und wolle jetzt im Bus nach Puerto Montt (12 Stunden) zu seiner Mutter fahren um mit ihr zu leben. Wir waren kurz davor ihm das Geld zu geben (er ratterte mir sogar die Adresse der Mutter in sekunden-schnelle auf, als ich ihn fragte ob er überhaupt wüsste wo er hin muss) als unsere andere Chefin eintrat und ihn enttarnte: Ein dreister Lügner!

Das Schlimme ist echt: man fällt so leicht darauf rein...Armut und Elend sind hier so präsent, dass es viele Menschen ausnutzen um selber davon Profit zu machen.

Als danach im Kindergarten auch noch ein Kind verloren ging war die Aufruhr natürlich perfekt. Es wurden Polizei und Sicherheitsdienst alarmiert, bis die Mutter völlig beruhigt im Kindergarten anrief und entwarnte: der Junge ist von alleine und unbemerkt vom Kindergarten nach Hause gelaufen.....Er ist zwei.

Wie ihr merkt ist hier ordentlich was los und auch vieles, was mein an Ordnung gewöhntes deutsches Gehirn ordentlich strapaziert. Doch: Es ist die Erfahrung definitiv wert - in manchen Situationen wäre es vielleicht auch für uns Deutsche mal gar nicht so schlecht, Sachen eher mit Humor als mit zu viel Ernsthaftigkeit zu nehmen wie ich gelernt habe ;-)

Mit dieser Moral von der Geschicht verabschied ich mich

Un Abrazo, Niclas

Montag, 19. November 2012

Creamfields!

Chile. Ein Land mit knapp 4000 Kilometern Länge von Norden nach Süden - die Strecke Hamburg nach Bagdad...Und doch leben rund 8 Millionen der 17 Millionen Chilenos in der Metropolregion rund um Santiago!

Für den normalen Deutschen ist eine Strecke von knapp 300 Kilometern schon eine quälende, an den Nerven zehrende Reise - zumindest im kleinen PKW, am besten noch mit einem der Sorte "Möchtegern-Fahrlehrer" auf dem Beifahrersitz, der einen peinlichst genau auf jedes kleine Schlagloch oder Verkehrszeichen in unmittelbarer Sichtweite hinweisen muss. 

Ich muss euch sagen, ich könnte nicht glücklicher darüber sein, dass ich "nur" 3 Stunden vom Dreh- und Angelpunkt allen Lebens hier in Chile - Santiago - entfernt bin. Hinzu kommt die angenehme Busreise inklusive Snack, Getränk und vieeeeel Beinfreiheit. 

Dieses Mal lockte mich das Festival "Creamfields" in die Hauptstadt, zu dem unter anderem Künstler wie David Guetta, Calvin Harris und Alesso erscheinen sollten. Hier schon mal eine Vorwarnung an die ältere Leserschaft: diesen Beitrag kann ich leider nicht anders als in Jugendhyroglyphen verfassen - Verzeihung ;-)

Mein erstes lateinamerikanisches Konzert also - viel anders als ein europäisches bzw. amerikanisches kann es ja kaum werden! Doch was haben wir gelernt bis jetzt? Genau - Pustekuchen, es kommt hier immer anders wie man denkt.

Da wäre zum Einen die aus Deutschland angeborene Paranoia, 3 Tage nach Ticketfreigabe schon keine Chance mehr zu haben einer der begehrten Eintrittskarten zu ergattern. Wie ich inzwischen erfahren habe machen sich die Chilenen beim Kartenbestellen jedoch genauso viel Stress wie bei ihrer Bürokratie - nämlich gar keinen! Entscheidungen, Fakten, Tatsachen - Deutsche Tugenden die Chilenen eher als lästigen Nebengeschmack des entspannten Lebens empfinden bekommen somit wenig Aufmerksamkeit.

So konnte ich aber immerhin mein Ticket auch noch 2!!!! Wochen vor dem Termin ohne Probleme kaufen, als dann auch feststand, wer mich zu dem Festival begleiten würde - alleine wollte ich schließlich nicht gehen.

So traf ich mich Freitagmittags (ich hatte den Tag zum Reisen frei bekommen) mit meinem guten alten Freund Robin, der erst die vorherige Woche in Chile angekommen war um auch für ein halbes Jahr dieses verrückte kleine Völkchen kennenzulernen.

Nach einem kurzen Bierchen auf der Terrasse des Hostels in dem ich untergebracht war, machten wir uns per U-Bahn und Taxi auf in Richtung Norden Santiagos, wo auf einem Kieselstein-artigen Platz das Festival stattfinden sollte. 


Die ersten Künstler auf den 5 Bühnen sollten schon gegen 19:00 anfangen. Wir waren gegen knapp 20:30 da und es herrschte immernoch gähnende Leere, sogar in den ersten Rängen der Main-Stage. Nun, wer in Deutschland schon mal auf einem Konzert einer bedeutenden Band war weiß, dass dort bereits ab 12:00 der Krieg um die besten Plätze in der ersten Reihe beginnt - man muss sie lieben, die Chilenen, für ihre innere Ruhe!



Nachdem Robin und ich noch rund 2 Stunden über die verschiedenen Venues schlenderten und uns den ein oder anderen Piscola gönnten (auch gern mal wieder 7 Euro hier!!!), reihten wir uns immernoch GAAANZ gemütlich in Reihe 4(!!!!) in der Main-Stage ein. Gegen 23:30 sollte nämlich dort Calvin Harris als erster Headliner die Bühne rocken. 

Tatsächlich füllte sich alles auch erst kurz vor halb 12 und es konnte endlich losgehen! Zur Belustigung trug dann noch der süße Sprachfehler eines jeden hispanohablante bei: Anstatt Calvin "Cälvin" auszusprechen, wurde daraus ein Chor aus "Calwien" und ich wäre am Liebsten vor Fremdscham im Kiesel versunken - man kann doch wenigstens VERSUCHEN den Namen richtig auszusprechen!

War egal - er rockte das Ding! Wir natürlich auch:



Nach zwei Stunden springen, schwitzen und pfeifen ging Calvin von der Bühne und man baute die selbige für Top-Act David Guetta um...Die Beine schon etwas schwer, aber mit immer noch viel Lust auf gute Beats warteten wir geduldig auf jenen Herren Franzosen.



Um ein Fazit nach diesen folgenden 2 Stunden zu ziehen: Ich hab' ihn jetzt einmal gesehen - und das reicht. Wer alle zwei Sekunden entweder auf dem DJ-Pult steht oder sein iPhone rausholt um Bilder von der Crowd zu machen, hat wohl vorher eine CD eingelegt, anstatt die Regler an den Turntables ordentlich zum Glühen zu bringen. Auch die Dudelei die er uns vorspielte gefiel meinen Lauschern lang nicht so gut wie das Programm des Herren Harris. Wer die Show dann noch mit einem Remix von OASIS' genialem, aber leider inzwischen sehr verkitschten und ausgelutschten Welthits "Wonderwall" abschließen muss, dem sieht man die Dollarscheine in den Augen schon aus 1 Kilometer Entfernung an - oder aus der vierten Reihe, so wie ich. Naja, erlauben kann er es sich!

Nach knapp 7 Stunden Schulter an Schulter suchten wir auch erst einmal die weiten des Festivals, halb verdurstend außerdem auch noch eine Flasche Wasser für die wir happige 3 Euro bezahlen durften. 

Nach einer kleinen Stippvisite bei Fedde LeGrand machten wir uns gegen 5 auf den Heimweg. Schwerer als gedacht - schließlich wollten knapp 10000 Leute auch nach Hause! Los ging die Schlacht um die wertvollen Autos mit gelben Dächern. Glücklicherweise schließen wir uns einem komplett merkwürdigen Engländer an, der mit seiner penetranten Art und Weise irgendwie ein Taxi für uns besorgen konnte (er musste in die gleiche Richtung). Erschöpft aber glücklich kam ich dann gegen 5:30 morgens in mein Hostel und ließ mich in mein kühles, extrabreites Bett fallen.

Entsprechend (und dank der dunklen Gardinen) fing mein nächster Tag dann auch erst gegen 14:00 an - und wie! Unter der Dusche begrüßte mich im Halbschlaf nämlich ein gut gebauter Achtbeiner direkt vor meinem Gesicht an der Wand. In der Manier eines Wasserwerfers a la Stuttgart 21 Protest konnte ich den ungebeten Gast aber schnell in Richtung Abfluss befördern - es hätte ja einer der Sorte "Araña de Rincón" sein können (die einzige tödliche Spinnen-Art in Chile)!

Da ich bis zum Sonnenuntergang nichts zu tun hatte und alle meine Santiago-Amigos zu tun hatten, schlenderte ich selbst ein bisschen durch die Stadt und besuchte mal wieder die übergroße Mall.

Zurück im Hostel lernte ich einen deutschen Freiwilligen aus Bolivien kennen, dem ich kurzerhand versprach - da er großen Hunger mitbrachte - die chilenische Cuisine auszukosten. Also ging ich mit ihm in den netten kleinen Laden nebenan, der sich original "Kleine Kneipe" nannte und bestellte ein Chorillana (wisst ihr noch, das Ding mit Fleisch, Pommes und Eiern?). Dazu gab es zu unserer Überraschung WEIZEN AUS DEM ZAPFHAHN. Es war eine Offenbarung und eine Wohltat für meine von Pils geschundenen Bier-Geschmacksnerven!

Kurz darauf ging es zu Freunden zur Previa, bevor wir uns auf nach Las Condes machten, wo wir das Nachtleben mal kennenlernen wollten. Und hier wieder Erlebnis der Sonderklasse: 

Ich war mit 3 Deutschen im Auto vorgefahren, ein Chilenischer Freund saß im Taxi hinter uns. Wir hielten ungefähr zur gleichen Zeit vor dem Club und so kam der Chilene direkt an unser Taxi und fragte wieviel wir denn bezahlt hätten. Als er bemerkte, dass er uns (da wir ein reines Ausländertaxi waren) 3000 Pesos (5 Euro) mehr abgezogen hatte, stellte er sein Bein in jenes Taxi und kündigte dem Fahrer an, er würde wegen Betrug nun die Polizei rufen. Was folgte war unglaubliche Skrupellosigkeit, als der Fahrer ruckartig auf Vollgas trat, und unser Chilenischer Freund über die Straße geschleudert wurde. Er hatte ein verdammtes Riesen-Glück, das keine Autos auf der Fahrbahn waren - sonst wäre er ganz schnell Stoßstangen-Futter geworden....Leider zählt hier nunmal jeder Peso für manche Menschen, was sie zu solch widerlichen Aktionen führt.

Den Schock verdaut und noch ordentlich gefeiert, ging es am nächsten Tag zurück nach Talca - eine Woche voll von Arbeit, einer lustigen Cumbia-Studentenparty am Mittwoch-Abend und Training stand an! Den folgenden Samstag sollte es nämlich abermals nach Santiago gehen um ein Qualifikationsspiel für die nationalen Meisterschaften im Handball zu spielen!

Davon berichtet man aber das nächste Mal, denn der Herr ist müde ;-)

Un abrazo, Niclas