Montag, 26. November 2012

Ein Viertel ist rum!

12 Minuten vorbei, der Buzzer tönt, kurze Verschnaufpause, etwas trinken, kleine Verbesserungen in der Taktik vornehmen und zurück hinein es ins Spielgeschehen.

In diesem Fall sind es jedoch - nicht wie im Basketball - 12 Minuten, sondern ganze 3 Monate, die ich jetzt schon in diesem wunderbaren Land am anderen Ende der Welt verbracht habe! Und ganz genau wie ich das befürchtet habe, kommt es mir wie gestern vor, dass ich aus dem Flieger hinein ins Ungewisse trat.

Die Zeit fliegt - ich genieße mein chilenisches Leben so unglaublich, es ist fast schon unheimlich! Meine wöchentliche Routine, meine Arbeit, meine Gastfamilie, meine Mannschaft, meine unzähligen Freunde die ich bis jetzt gemacht habe - sie machen es hier echt unglaublich erträglich ;-)

Deswegen kommt heute, bevor ich meine Erzählungen der Woche beginne ein kleines Zwischenfazit:

Sprache: zu 90% perfektioniert - ein bisschen fehlt im wirklich schnellen und flüssigen Sprechen noch die grammatikalische Stabilität aber verstehen tu ich nun sogar die Ekzessiv-Nuschler.

Gesundheit: Keine Probleme bis jetzt gehabt, während um mich rum die halbe Ausländer-Welt die Kotzerei hatte - Actimel lohnt sich also doch ;-)

Essen: So verdammt lecker aber fettig wie nie! Extra Portion Mayo, Olivenöl und Butter gehören hier zum guten Ton - mit viel Training halte ich meinen Körper aber trotzdem intakt (harte Arbeit :(!)

Die Leute: Trotz vieler Warnungen und Vorurteile sind sie keineswegs so oberflächlich wie man mir das gesagt hatte! Vielleicht ein bisschen faul aber ihr Wort halten sie trotzdem, jedoch mit ordentlichem Zeitpolster ;-)

Meine Arbeit: Macht Spaß, nicht zu stressig und immer wieder voller neuer Lebenserfahrungen und Offenbarungen - Volltreffer!

Nachtleben: 1A! Da Talca die Nr. 1 Studentenstadt Chiles ist (nach Santiago) wird es hier nie langweilig und die Preise sind auf Studenten abgestimmt.

Reisen: Eine Offenbarung - Ich war noch nie an schöneren, magischeren Orten! Und das Beste kommt alles noch!

Spaß: zu 110% am Genießen :-)

So war mein Wochenende auch wieder voll von Ereignissen: Freitags trafen wir uns im Wohnblock einiger Freundinnen von uns, die das Dach für die Nacht gemietet hatten. Ja, wir hatten ziemlich dekadent die Dachterrasse zum Feiern - das gute dabei: für nur 50 Euro!

Mit den 30 engsten Bekannten und einem blinden Passagier, eine kleine Python die ein Mitbewohner mit auf die Party brachte, genossen wir bei ein paar Bierchen und dem ein oder anderen Piscola die wunderbare Aussicht über die in der Dunkelheit grellgelb leuchtenden Dächer Talcas - WOW!

Die Nacht war kurz denn schon um 7 Uhr musste ich aufstehen und meine 7 Sportsachen packen um mit meiner Mannschaft nach Santiago zu düsen: Qualifikationen für die nationale Meisterschaft!

Zu 12 inklusive Trainer machten wir uns auf die knapp 3 stündige Reise zum CEO (Centro de Entrenamiento Olímpico) also dem nationalen Olympia-Stützpunkt in Santiago. Sofort begeistert war ich vom Hallenboden, der gut einem Handballbundesliga-Boden gleich kommen konnte!


Spielen mussten wir gegen den Club "O'Higgins Balonmano" aus Rancuagua, eine Stadt knapp 2 Stunden nördlich von Talca. Es ging um das letzte von 8 Tickets für das Turnier in der folgenden Woche.



20 Minuten aufgewärmt und die Schiedsrichter waren auch schon bereit die Partie anzupfeifen - ich war gesetzt auf Linksaußen. Auch den kleine Adrenalinstoß kurz vor Anpfiff, den ich so vermisst habe konnte ich endlich wieder spüren - es war Zeit für Handball und es ging um Großes!

Zum ersten Mal werden nämlich die chilenischen Meisterschaften ausgetragen und wir als junger Club wollten natürlich zu diesem historischen ersten Turnier dazugehören!

Den Start verschliefen wir völlig und lagen bald mit 3:8 hinten. Es sind diese Momente, in denen du echt am kämpfen bist: gibst du auf oder kämpfst du weiter? Wir entschieden uns im Kollektiv gottseidank für die zweite Option und verschlossen unsere Abwehr regelrecht im nächsten Abschnitt um mit 13:11 in die Pause zu gehen.

Den Vorsprung gaben wir auch nicht mehr aus der Hand und gewannen deutlich mit 29:20. WIR GEHEN ZU DEN MEISTERSCHAFTEN - Das bisher genialste Gefühl meines chilenischen Auslandsjahr!

Und hier sind die Qualifikations-Helden:


Danach ging es zur Entspannung in Richtung Mall für's Gewinner-Essen. Ich verabschiedete mich von meinen Teamkollegen, die sich wieder auf den Weg nach Hause machten und nahm die Metro in Richtung Providencia, wo ich mein Hostel für die Nacht gebucht hatte - den Erfolg musste man schließlich feiern ;-)

Gebucht hatte ich ein 4-Bett-Zimmer, gesteckt wurde ich natürlich in ein nettes (viel) zu kleines 8-Bett Zimmer mit immerhin 3 netten Engländerinnen aber 4 absolut dubiosen älteren Männern. Und natürlich: der Kollege unter mir begrüßte mich schon tief schlafend und lautstark mit seiner Nasentrompete...Einer von 8 muss es schließlich sein, der die Mitbewohner nachts mit in die Schnarch-Hölle entführen muss - na SUPER!

Dem kann nur vorgesorgt werden, in dem man sich vorher das ein oder andere Bierchen gönnt und so traf ich mich mit einigen meiner Ausländer-Freunde in Bellavista zum Abendessen. Nach einer eher unspektakulären Nacht kam ich gegen 3 an mein Hostel. Doof nur: die Tür war zu und Niclas kein Schlüssel - verdammter Idiot. Gott sei Dank kamen mir die Engländerinnen zu Hilfe, die zufällig auch gerade nach Hause kamen. Dann der nächste Coup - meine Sachen lagen auf einmal auf einem anderen (UNGEMACHTEN) Bett und irgendein anderer sich in den besten Jahren befindende alte Sack hatte es sich in meinem Bett bequem gemacht. Ich entschied mich ausnahmsweise gegen mein deutsches Rechthaber-Temperament (dafür war ich nun eh zu müde und wollte den Rest nicht aufwecken) und legte mich schweren Herzens in mein neues, ungemachtes Bett - besser konnte es kaum laufen!

Froh war ich, als ich Sonntag morgens aus dem Hostel fliehen konnte und mich auf den Rückweg nach Talca begab. Abends ging es noch zu einer deutschen Freundin, die ihren Abschied aus Talca feierte. Das leckere Asado war definitiv eine Entschädigung für die eklatante Nacht die ich hinter mir hatte (man bedenke außer Schnarcherich unter und Bettvertauscher neben mir noch den um 5 morgens völlig zerzaust und besoffenen 50 jährigen Mann, der in unser Zimmer kam und sich einfach in irgendein Bett lag). 

Der Aufregung nicht genug hatten wir den Montag danach auch den bisher ereignisreichsten Arbeitstag im Hogar de Cristo: Als wir gemütlich beim Mittagessen im Büro meiner Chefin saßen, trat auf einmal ein völlig verunsicherter und den Tränen naher Mann um die 40 ein. Als wir ihn beruhigt und hingesetzt haben begann er uns eine Geschichte zu erzählen von wegen er wurde von seinem Vater jahrelang eingesperrt und vergewaltigt. Heute Nacht hätte er ihm Schlafpillen in den Tee gemacht und wäre irgendwie geflohen und wolle jetzt im Bus nach Puerto Montt (12 Stunden) zu seiner Mutter fahren um mit ihr zu leben. Wir waren kurz davor ihm das Geld zu geben (er ratterte mir sogar die Adresse der Mutter in sekunden-schnelle auf, als ich ihn fragte ob er überhaupt wüsste wo er hin muss) als unsere andere Chefin eintrat und ihn enttarnte: Ein dreister Lügner!

Das Schlimme ist echt: man fällt so leicht darauf rein...Armut und Elend sind hier so präsent, dass es viele Menschen ausnutzen um selber davon Profit zu machen.

Als danach im Kindergarten auch noch ein Kind verloren ging war die Aufruhr natürlich perfekt. Es wurden Polizei und Sicherheitsdienst alarmiert, bis die Mutter völlig beruhigt im Kindergarten anrief und entwarnte: der Junge ist von alleine und unbemerkt vom Kindergarten nach Hause gelaufen.....Er ist zwei.

Wie ihr merkt ist hier ordentlich was los und auch vieles, was mein an Ordnung gewöhntes deutsches Gehirn ordentlich strapaziert. Doch: Es ist die Erfahrung definitiv wert - in manchen Situationen wäre es vielleicht auch für uns Deutsche mal gar nicht so schlecht, Sachen eher mit Humor als mit zu viel Ernsthaftigkeit zu nehmen wie ich gelernt habe ;-)

Mit dieser Moral von der Geschicht verabschied ich mich

Un Abrazo, Niclas

Montag, 19. November 2012

Creamfields!

Chile. Ein Land mit knapp 4000 Kilometern Länge von Norden nach Süden - die Strecke Hamburg nach Bagdad...Und doch leben rund 8 Millionen der 17 Millionen Chilenos in der Metropolregion rund um Santiago!

Für den normalen Deutschen ist eine Strecke von knapp 300 Kilometern schon eine quälende, an den Nerven zehrende Reise - zumindest im kleinen PKW, am besten noch mit einem der Sorte "Möchtegern-Fahrlehrer" auf dem Beifahrersitz, der einen peinlichst genau auf jedes kleine Schlagloch oder Verkehrszeichen in unmittelbarer Sichtweite hinweisen muss. 

Ich muss euch sagen, ich könnte nicht glücklicher darüber sein, dass ich "nur" 3 Stunden vom Dreh- und Angelpunkt allen Lebens hier in Chile - Santiago - entfernt bin. Hinzu kommt die angenehme Busreise inklusive Snack, Getränk und vieeeeel Beinfreiheit. 

Dieses Mal lockte mich das Festival "Creamfields" in die Hauptstadt, zu dem unter anderem Künstler wie David Guetta, Calvin Harris und Alesso erscheinen sollten. Hier schon mal eine Vorwarnung an die ältere Leserschaft: diesen Beitrag kann ich leider nicht anders als in Jugendhyroglyphen verfassen - Verzeihung ;-)

Mein erstes lateinamerikanisches Konzert also - viel anders als ein europäisches bzw. amerikanisches kann es ja kaum werden! Doch was haben wir gelernt bis jetzt? Genau - Pustekuchen, es kommt hier immer anders wie man denkt.

Da wäre zum Einen die aus Deutschland angeborene Paranoia, 3 Tage nach Ticketfreigabe schon keine Chance mehr zu haben einer der begehrten Eintrittskarten zu ergattern. Wie ich inzwischen erfahren habe machen sich die Chilenen beim Kartenbestellen jedoch genauso viel Stress wie bei ihrer Bürokratie - nämlich gar keinen! Entscheidungen, Fakten, Tatsachen - Deutsche Tugenden die Chilenen eher als lästigen Nebengeschmack des entspannten Lebens empfinden bekommen somit wenig Aufmerksamkeit.

So konnte ich aber immerhin mein Ticket auch noch 2!!!! Wochen vor dem Termin ohne Probleme kaufen, als dann auch feststand, wer mich zu dem Festival begleiten würde - alleine wollte ich schließlich nicht gehen.

So traf ich mich Freitagmittags (ich hatte den Tag zum Reisen frei bekommen) mit meinem guten alten Freund Robin, der erst die vorherige Woche in Chile angekommen war um auch für ein halbes Jahr dieses verrückte kleine Völkchen kennenzulernen.

Nach einem kurzen Bierchen auf der Terrasse des Hostels in dem ich untergebracht war, machten wir uns per U-Bahn und Taxi auf in Richtung Norden Santiagos, wo auf einem Kieselstein-artigen Platz das Festival stattfinden sollte. 


Die ersten Künstler auf den 5 Bühnen sollten schon gegen 19:00 anfangen. Wir waren gegen knapp 20:30 da und es herrschte immernoch gähnende Leere, sogar in den ersten Rängen der Main-Stage. Nun, wer in Deutschland schon mal auf einem Konzert einer bedeutenden Band war weiß, dass dort bereits ab 12:00 der Krieg um die besten Plätze in der ersten Reihe beginnt - man muss sie lieben, die Chilenen, für ihre innere Ruhe!



Nachdem Robin und ich noch rund 2 Stunden über die verschiedenen Venues schlenderten und uns den ein oder anderen Piscola gönnten (auch gern mal wieder 7 Euro hier!!!), reihten wir uns immernoch GAAANZ gemütlich in Reihe 4(!!!!) in der Main-Stage ein. Gegen 23:30 sollte nämlich dort Calvin Harris als erster Headliner die Bühne rocken. 

Tatsächlich füllte sich alles auch erst kurz vor halb 12 und es konnte endlich losgehen! Zur Belustigung trug dann noch der süße Sprachfehler eines jeden hispanohablante bei: Anstatt Calvin "Cälvin" auszusprechen, wurde daraus ein Chor aus "Calwien" und ich wäre am Liebsten vor Fremdscham im Kiesel versunken - man kann doch wenigstens VERSUCHEN den Namen richtig auszusprechen!

War egal - er rockte das Ding! Wir natürlich auch:



Nach zwei Stunden springen, schwitzen und pfeifen ging Calvin von der Bühne und man baute die selbige für Top-Act David Guetta um...Die Beine schon etwas schwer, aber mit immer noch viel Lust auf gute Beats warteten wir geduldig auf jenen Herren Franzosen.



Um ein Fazit nach diesen folgenden 2 Stunden zu ziehen: Ich hab' ihn jetzt einmal gesehen - und das reicht. Wer alle zwei Sekunden entweder auf dem DJ-Pult steht oder sein iPhone rausholt um Bilder von der Crowd zu machen, hat wohl vorher eine CD eingelegt, anstatt die Regler an den Turntables ordentlich zum Glühen zu bringen. Auch die Dudelei die er uns vorspielte gefiel meinen Lauschern lang nicht so gut wie das Programm des Herren Harris. Wer die Show dann noch mit einem Remix von OASIS' genialem, aber leider inzwischen sehr verkitschten und ausgelutschten Welthits "Wonderwall" abschließen muss, dem sieht man die Dollarscheine in den Augen schon aus 1 Kilometer Entfernung an - oder aus der vierten Reihe, so wie ich. Naja, erlauben kann er es sich!

Nach knapp 7 Stunden Schulter an Schulter suchten wir auch erst einmal die weiten des Festivals, halb verdurstend außerdem auch noch eine Flasche Wasser für die wir happige 3 Euro bezahlen durften. 

Nach einer kleinen Stippvisite bei Fedde LeGrand machten wir uns gegen 5 auf den Heimweg. Schwerer als gedacht - schließlich wollten knapp 10000 Leute auch nach Hause! Los ging die Schlacht um die wertvollen Autos mit gelben Dächern. Glücklicherweise schließen wir uns einem komplett merkwürdigen Engländer an, der mit seiner penetranten Art und Weise irgendwie ein Taxi für uns besorgen konnte (er musste in die gleiche Richtung). Erschöpft aber glücklich kam ich dann gegen 5:30 morgens in mein Hostel und ließ mich in mein kühles, extrabreites Bett fallen.

Entsprechend (und dank der dunklen Gardinen) fing mein nächster Tag dann auch erst gegen 14:00 an - und wie! Unter der Dusche begrüßte mich im Halbschlaf nämlich ein gut gebauter Achtbeiner direkt vor meinem Gesicht an der Wand. In der Manier eines Wasserwerfers a la Stuttgart 21 Protest konnte ich den ungebeten Gast aber schnell in Richtung Abfluss befördern - es hätte ja einer der Sorte "Araña de Rincón" sein können (die einzige tödliche Spinnen-Art in Chile)!

Da ich bis zum Sonnenuntergang nichts zu tun hatte und alle meine Santiago-Amigos zu tun hatten, schlenderte ich selbst ein bisschen durch die Stadt und besuchte mal wieder die übergroße Mall.

Zurück im Hostel lernte ich einen deutschen Freiwilligen aus Bolivien kennen, dem ich kurzerhand versprach - da er großen Hunger mitbrachte - die chilenische Cuisine auszukosten. Also ging ich mit ihm in den netten kleinen Laden nebenan, der sich original "Kleine Kneipe" nannte und bestellte ein Chorillana (wisst ihr noch, das Ding mit Fleisch, Pommes und Eiern?). Dazu gab es zu unserer Überraschung WEIZEN AUS DEM ZAPFHAHN. Es war eine Offenbarung und eine Wohltat für meine von Pils geschundenen Bier-Geschmacksnerven!

Kurz darauf ging es zu Freunden zur Previa, bevor wir uns auf nach Las Condes machten, wo wir das Nachtleben mal kennenlernen wollten. Und hier wieder Erlebnis der Sonderklasse: 

Ich war mit 3 Deutschen im Auto vorgefahren, ein Chilenischer Freund saß im Taxi hinter uns. Wir hielten ungefähr zur gleichen Zeit vor dem Club und so kam der Chilene direkt an unser Taxi und fragte wieviel wir denn bezahlt hätten. Als er bemerkte, dass er uns (da wir ein reines Ausländertaxi waren) 3000 Pesos (5 Euro) mehr abgezogen hatte, stellte er sein Bein in jenes Taxi und kündigte dem Fahrer an, er würde wegen Betrug nun die Polizei rufen. Was folgte war unglaubliche Skrupellosigkeit, als der Fahrer ruckartig auf Vollgas trat, und unser Chilenischer Freund über die Straße geschleudert wurde. Er hatte ein verdammtes Riesen-Glück, das keine Autos auf der Fahrbahn waren - sonst wäre er ganz schnell Stoßstangen-Futter geworden....Leider zählt hier nunmal jeder Peso für manche Menschen, was sie zu solch widerlichen Aktionen führt.

Den Schock verdaut und noch ordentlich gefeiert, ging es am nächsten Tag zurück nach Talca - eine Woche voll von Arbeit, einer lustigen Cumbia-Studentenparty am Mittwoch-Abend und Training stand an! Den folgenden Samstag sollte es nämlich abermals nach Santiago gehen um ein Qualifikationsspiel für die nationalen Meisterschaften im Handball zu spielen!

Davon berichtet man aber das nächste Mal, denn der Herr ist müde ;-)

Un abrazo, Niclas

Sonntag, 11. November 2012

Ab in den Süden..

Da mein Schulleben nun leider zu Ende ist, muss ich wohl oder übel auch auf die nette freie Woche Anfang November, die sich "Herbstferien" nennt, verzichten. Welch Glück, dass der 1. November dieses Jahr auf einen Donnerstag gefallen ist, und ich somit zumindest ein langes Wochenende von 4 Tagen genießen durfte. Und was macht man in Chile, wenn man mal zu viel Zeit an der Hand hat? Genau - Reisen!

Dieses Mal hatten wir uns ausgesucht, uns das erste Mal in südlichere Gefilde zu wagen, genauer gesagt nach Pucón - eines der größten Tourismusgebiete Chiles...wir wollten ja nicht gleich alles überstürzen!

Wie immer: einmal schnell schütteln, die Lesebrille aufgesetzt oder das Bier zur Hand - es wird LANG:

Donnerstags morgen trudelten alle - die einen mehr, die anderen weniger - beeinträchtigt von der vorigen Halloween-Nacht am Busterminal ein um die 8-stündige Fahrt nach Pucón anzutreten. Einen kurzen Stopp hatten wir in Temuco den wir - typisch Chilenisch - genau, in McDonald's zum Mittagessen verbrachten.


"Talquinos unterwegs"

Den Rest der Reise nach Pucón durften wir dann sehr komfortabel im oberen Geschoss des Doppeldeckers ganz vorne an der Windschutzscheibe mitverfolgen, wo sich uns bereits ein grandioser Ausblick auf die Landschaft bot.

Angekommen im Hostel in Pucón trafen wir uns mit den restlichen Leuten, bezogen unsere Zimmer und machten noch einen kurzen Stopp im Supermarkt um uns mit Nudeln zu versorgen - am nächsten Tag stand schließlich die Besteigung des "Volcan Villarica" mit 2800m an - Kohlenhydrate tanken war angesagt!


Viel zu früh, nämlich um 6 Uhr morgens, klingelte der Wecker (ich glaube das letzte Mal bin ich für meine Abi-Klausuren so früh aufgestanden) und man wartete unten mit den Bergschuhen und Rucksäcken, die wir am Vorabend bereits anprobiert hatten. Proviant eingesteckt, Sonnenbrillen poliert und die 5-schichtige, 3cm dicke UV 60 Sonnencreme aufgetragen, stiegen wir in den Van Richtung Vulkan.



Der letzte müde Körper wurde dann schließlich nach 1-stündiger Rüttelfahrt auch noch wach und wir stiegen auf 1400m am"Basis-Lager" aus. Bereits hier bot sich ein unglaublicher Blick über die Landschaft - nunja, zumindest das, was die dicke Wolkendecke nicht verbarg:



"Die ganze Bergsteiger-Crew"

Nach ein paar kurzen Worten unseres Bergführers Ermin ging es los. Zuerst noch über Stock und Stein durften wir beobachten, wie sich eine größere Gruppe "Bergsteiger" lässig die ersten 400m per Lift gönnte - uns war es egal, schließlich hatten wir uns bereits mental auf 5 Stunden harten Anstieg eingestellt ;-).

Nach den ersten 400 Höhenmeter kamen wir dann auch langsam an die Schneegrenze und machten unser erstes Picknick. Was mich verwunderte: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte unser Bergführer nicht ein murrendes Wort über irgendein Fehlverhalten unsererseits verloren - für mich als Deutscher erstaunlich,  wird man in Deutschland doch auch schon bei einer Städtetour angeblökt wenn man die Hand aus dem Fahrenden Touri-Bus hält - dieser Vulkan war jedoch freilich ein anderes Kaliber: Eis, Schnee, unkontrollierte Winde und natürlich der Höhenunterschied.



Immerhin blieb einer unserer Guides mit dem Teil der Gruppe, der sich noch nicht richtig akklimatisiert hatte und ging es etwas langsamerer an. Mit Eispickel, Zick-zack-Lauf, mehreren Ausrutschern und eisigem Seitenwind schafften wir es nach gut 5 Stunden dann doch wohlbehütet ans Ziel - der Krater! Obwohl oben das Wetter prima mitspielte machte uns der Wind einen Strich durch die Rechnung und zwang uns auch noch Schneehose und Schneejacke über unsere eigentlichen Klamotten zu ziehen.

Lava war leider nicht zu sehen, schließlich ist der "Volcan Villarica" einer der aktivsten Vulkane der Welt, aber es kam ordentlich Dampf aus der Hütte. Die Aussicht bat uns auch einige einmalige und atemberaubende Momente mit denen ich euch kurz alleine lasse:




Mehr als 20 Minuten hielt man es aufgrund des eisigem Windes auch nicht oben aus und so packten wir alle unsere Sachen und machten uns an den Abstieg - der lustige Teil des Abenteuers.

Wir liefen den Volkan nämlich nicht noch einmal herab sondern schlitterten ganz gemütlich auf "Popo-Rutschern" die ganzen knapp 1400m wieder herunter - erstaunlicherweise mit ordentlicher Geschwindigkeit!


Den letzten Schnee abgeschüttelt und alle Sachen wieder in den Rucksack gepackt ging es wieder Richtung Hostel. Ich ließ es mir trotz all der Anstrengung am Morgen doch nicht nehmen, noch einmal die Landschaft zu nutzen und einen 45-minütigen Lauf durch Pucón zu unternehmen! Bei der Kulisse hätte ich echt zu jeder Tageszeit Motivation joggen zu gehen!!!


Unsere Pläne, abends in nahegelegene Thermen zum Baden und Sterne gucken zu fahren wurden jedoch durch ein unglückliches Ereignis durchkreuzt: Während wir gemütlich bei einem Feierabendbier und Burger in einem amerikanischen Restaurant saßen, erreichte uns der Anruf, das zwei der Mädchen aller ihrer Wertsachen beraubt wurden - inklusive Reisepass und Kreditkarten. Es hatten sich am frühen Nachmittag zwei Chilenen in jenem Zimmer eingenistet, die wohl in einer unachtsamen Minute unsererseits den Safe aufbrachen und alles mitgehen ließen - ihre Daten hatte der Hotelbesitzer dummerweise noch nicht aufgenommen! 

Als wir zurück zum Hostel kamen war auch schon die Polizei da. Doch anstatt mich als Erstes zu fragen, ob ich etwas Näheres zu der Identität der zwei Räuber wüsste, startete der Beamte einen lockeren Smalltalk und fragte uns, wo wir denn so herkommen, ob uns das chilenische Bier schmeckt und ob uns die chilenischen Frauen gefallen - also alles was mit dem Fall rein GAR NICHTS zu tun hatte. Hätte mich nicht gewundert, wenn er mich als nächstes gefragt hätte ob ich ihn nicht direkt mit über die Straße zum Casino begleite, einen Cocktail mit ihm schlürfe und den Feierabend gemütlich mit einer Runde Black Jack ausklingen ließe.

Nach dieser Aufregung war die Stimmung natürlich im Keller, die Mädchen blieben zu Hause und ich machte mich mit dem Hostel-Besitzer auf ins Pucon'sche Nachtleben! Später stieß auch noch Niklas dazu, der nun hier für die nächsten 3 Monate als Reiseführer arbeitet. 

Nach einer langen, durchzechten Nacht kam es mir auch gerade recht, dass unser Ausflug, der für den nächsten Tag angesetzt war, erst um 12 mittags los ging. Die Mädels hatten sich schon früh morgens in Richtung Nationalpark verabschiedet, während Jakob, Kamil und Ich uns lieber für die Thermen entschieden - Genau das Richtige nach Vulkanbesteigung und Lebertraining!

Zusammen mit zwei Israelis (lustige Zusammensetzung so zwei Deutsche, ein Araber und zwei Israelis haha) wurden wir dann in einem Mini-Van durch die malerische Landschaft in Richtung "Termas Geométricas" gefahren. Da der Fahrer seinen Teergehalt gelegentlich auffüllen musste, machten wir noch 2 kurze Foto-Stopps in kleineren Dörfern, die sich auf dem Weg befanden.


Nach 2 Stunden Fahrt über Stock und Stein kamen wir endlich am Ziel an. In eine zirka 1km lange Schlucht sind hier die wahrscheinlich schönsten und größten Thermen Chiles gebaut! 17 Pools mit Temperaturen von 35-45 °C und zwei eiskalte Wasserfälle sorgen hier für das Wohlergehen der Besucher. 


Die nächsten 3 Stunden standen ganz im Zeichen der Erholung - mal von ALLEM. 2 1/2 Monate Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse verdauen und die Seele baumeln lassen. Von Pool zu Pool stiegen wir immer höher im Canyon, bis wir schließlich zum letzten Becken inklusive Wasserfall kamen - dieses war jedoch 7°C kalt und wir haben uns entschieden doch lieber nur ein Bild von außen zu machen ;-)


Nichtsdestotrotz ist so eine kalte Dusche dann doch erfrischend, wenn man 2 Stunden nur im Heißen saß...Deswegen:


"Ja, es war kalt..."

Bei einem leichten Snack im Bistro konnte man sich dann vor der Rückfahrt noch gut vom Entspannen entspannen:



Da wir die Mädchen wieder um Haaresbreite verpassten, weil jene abends erst zu anderen Thermen gingen, gönnten wir drei Jungs uns in einem Restaurant um die Ecke ein saftiges Steak mit exzellentem chilenischem Wein ;-)

Der Abend endete wieder im gleichen Club wie am Vortag, nur kamen diesmal auch alle fleißig mit!

Am nächsten Morgen ging es dann noch einmal kurz am Strand die letzten südchilenischen Sonnenstrahlen einfangen bevor wir uns leider schon wieder in Richtung Terminal machten und die Heimreise antreten mussten.


Alles in Allem ein perfekter Kurzurlaub der schon Lust auf den anstehenden Sommer macht! Schreibt mir doch mal eine Mail mit euren aktuellen Temperaturen, dann fühl ich mich sogar noch privilegierter ;-)

Abrazos, Niclas

Montag, 5. November 2012

El mes de los grandes..

"Der Monat der Großen", das ist hier in Chile offiziell der Oktober und bietet eine Menge Dienstleistungen und Events für die älteren Herrschaften des Landes. Natürlich waren auch wir als "CEAM (Centro de Encuentros de Adultos Mayores)" mit am Start!

Wir hatten bereits Infoveranstaltungen über Hygiene und Gesundheit, sowie einige Ausflüge hinter uns, bis letzte Woche das Ganze in die Zielgerade einlief.

Passend kam da donnerstags auch das sich jährlich wiederholende Groß-Event meiner Organisation "Hogar de Cristo" - Die sog. "Cena Pan y Vino". Hier lädt man für umgerechnet € 15 Eintritt die reichere Bevölkerung zu einem netten Abend mit Promis, Häppchen und natürlich viel Vino ein um Spenden zu sammeln.

Da Maike und Ich zum Helfen beim Aufbau und Abbau eingetragen waren schenkte man uns den Eintritt - für mich O.K. - es gab schließlich Wein für die harte Arbeit! Ganz Feuer und Flamme endlich mal chilenische Persönlichkeiten kennenzulernen, ging es dann gegen 8 in ein etwas außerhalb gelegenes sehr schön und modern ausgestattetes Event-Center.

Am Tisch saßen wir mit der Familie und Freunden meiner Chefin und so fing der Abend auch schon in fröhlicher Manier an. Bis das Programm um 9 anfing schlug ich mir die Backen mit Häppchen voll - lecker Leber- und Lachsbruschettas!!!



Schließlich betraten die Moderatoren die Bühne (auch bekannte Persönlichkeiten) um sich und den Rest der eingeladenen "Promis" vorzustellen.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs in Sachen Fernsehkultur in Chile: Wer dachte Deutschland wäre mit dem Mittagsprogramm von Sendern wie RTL und SAT1 an das Limit des Erträglichen gekommen ist sich nicht bewusst welch grausiges Programm man hier in Lateinamerika vorgesetzt bekommt. Es gibt genau 4 Sender die ohne Pay-Tv empfangbar sind: TVN, MEGA, CANAL 13 und LA RED - ach, und zwischen 1-5 Uhr morgens ist Sendepause (meine Lieblingssendung).

Worauf stehen Chilenen? 3 Sachen: reißerische Newsgeschichten, Reality-TV (á la Jersey Shore, Big Brother etc.) und Telenovelas (á la Unter Uns, GZSZ). Während man sich im Frühstücksfernsehen darüber unterhält ob es Atlantis wirklich gibt oder wie man sich die Brüste am Besten vergrößert, wird man nachmittags mit überzogen schnulzigen Liebesgeschichten und unrealistischen Dramen genervt.
Zu allem Überfluss gibt es pünktlich zur Prime Time dann Talkshows...jedoch nicht etwa über aktuelle Probleme sondern doch tatsächlich über das "harte" Leben der "Promis" (Wer sich mal wieder mit wem geschlagen hat etc.)

Daraus entstehen dann auch die "Promis" die uns an jenem Abend mit ihrer Anwesenheit beglückten. Während wir uns in Deutschland über C-Promis lustig machen, die sich in Shows wie das Dschungel-Camp wieder ins Rampenlicht rücken wollen, werden jene hier vergöttert! Was gibt es auch anderes im chilenischen Fernsehen, außer sich in Realities oder Telenovelas zu profilieren? So waren die Stars des Abends eine blonde vollbusige Dame und zwei junge Teenie-Stars die im Doppelpack unterwegs sind. Ganz ehrlich - ich kann euch keinen Namen von irgendeiner Person der letzten 10000 Big-Brother Staffeln sagen, aber wenn ich einem Chilenen dieses Bild hier zeige kriegt er sofort große Augen, weiß ihren Namen und auch welcher Show sie entspringt (ich immer noch nicht, aber ein Foto war sie wert ;-)) :


Heiter ging der Abend schließlich weiter, als mit der ersten Runde Bingo begonnen wurde: Für umgerechnet wieder 15 € konnte man sich 3 Bingo-Zettel ergattern um mitzuspielen. Die Preise waren verlockend (Wochenende in Viña del Mar, Reise nach Iquique) und somit entschieden uns auch Maike und Ich fleißig mitzuspielen.



Fortuna begleitete uns an diesem Abend leider nicht aber ich durfte mir angucken, wie zweimal ein Kuss mit entweder der Moderatorin oder dem Moderator versteigert wurde. Heiß wie die Chilenen auf ihre Z-Promis sind wurde natürlich fleißig geboten. Für die Gewinnerin war es wohl eines ihrer schönsten Momente des vergangenen Jahres - sie hatte schließlich gerade umgerechnet 100 € für 2 Sekunden Lippen benetzen bezahlt!

Der musikalische Part des Abends war dann der nicht weniger umfeierte Gewinner von "Yo Soy" - des Chilenischen Ablegers von "My Name Is..." (Sendung auf RTL II mit Marktanteil von gefühlten 0,000001 %). Er imitierte irgendeinen lateinamerikanischen Sänger der mir nicht bekannt war und bedudelte uns eine knappe halbe Stunde bevor der Hauptteil des Abends stattfand: die Segnung, das Teilen des Brotes und ein Schlückchen Wein.

Kaum war das über die Bühne gebracht flohen die Zuschauer auch schon in ihre Autos um nach Hause zu fahren. Wir halfen noch ein bisschen Tische aufräumen und ergatterten noch einige nicht geöffnete Weinflaschen!


Freitags war dann das "Grand-Final" des "Mes de los grandes" und wir mieteten einen kleinen Partyraum um ein Event für ungefähr 70 ältere Herrschaften aus Talca und Umgebung zu organisieren.
Den Raum vormittags schön mit Ballons und Girlanden verziert trudelten gegen 15:00 auch die ersten ein. Es wurde viel getanzt, gespielt, gelacht und am Ende gab es noch Süßigkeiten für die "abuelitos" die darauf nämlich genauso scharf sind wie Vorschulkinder!

Das Wochenende war mit feiern wieder voll ausgebucht, so ging ich freitags das erste Mal mit Freunden aus der Mannschaft weg und war samstags auf einen Geburtstag eingeladen! Es wird mir hier also nie langweilig oder zu ruhig ;-)

Die letzte Oktoberwoche verging dann auch recht schnell, da wir nur bis Mittwoch arbeiten mussten und die Vorfreude auf meinen bevorstehenden Trip in den Süden nach Pucón ins unermessliche stieg!

Aber DAVON erzähl ich euch das nächste Mal!

Un abrazo, Niclas