Samstag, 29. Dezember 2012

Rano Kau & Orongo

Der Vogelmannkult - was klingt wie eine Gruppe Ornithologen die mit halluzinogenen Drogen spielen war bis vor knapp 150 Jahren noch die alltags-bestimmende Religion der am nördlichsten gelegenen Ureinwohner-Siedlung "Orongo".

Auf den Spuren jener mysteriösen, alten Kultur machten wir uns an unserem ersten vollen Tag auf Rapa Nui auf zum gerade um die Ecke gelegenen Vulkan "Rano Kau". Zusammen mit Marcel, einem Schweizer, den wir am Vorabend bei der überraschenden japanischen Fisch-Verköstigung kennengelernt hatten, ging es vom Hostel aus entlang des "Sendero Orongo", der uns 300 Höhenmeter später am Krater des "Rano Kau" entlang in besagtes Dörfchen leiten sollte.


"OFFIZIELL am anderen Ende der Welt! 14570km nach Berlin"


"Den Weg nochmal überprüfen"

Eine Spezialität der Chilenen ist es aus Mücken Elefanten zu machen. So hat man z.B. eine Überlebenschance von 0,01 % wenn man mit dem Unternehmen "Tur Bus" fährt oder lebt extrem gefährlich wenn man sich am Strand sonnt, da ja spontan ein Tsunami kommen und dich nass machen könne. 

Eine Warnung hätte ich jedoch ernster nehmen sollen, was ich sofort nach 30 Minuten Wanderung am eigenen Leib erfahren würde: das Wetter ist hier so unberechenbar wie der Versuch durch 0 zu dividieren. Somit kann man hier das Phänomen eines lokal begrenzten Regens bewundern. Dieser wird aus ungefähr 1km langen dunklen Wolken in regelmäßigen Abständen über der Insel verteilt. Der Dank gilt an dieser Stelle an die Ureinwohner, die in ihrer Blütezeit gut alle indigenen Wälder gerodet haben -unterstellen: Fehlanzeige.

Die unfreiwillige zweite Dusche an jenem Tag war glücklicherweise nach 5 Minuten bereits an uns vorbeigezogen - wir konnten sie regelrecht wandern sehen! Wie eine Wand aus Regentropfen, die sich langsam von dir entfernt: WOW!


"links bestes Inselwetter - rechts die Wand"

Zu allem eleganten Überfluss hatte ich natürlich auch artgerecht meine Flip-Flops an! Dem Watsch-Spaß durch den nun aufgeweichten Schlammweg stand nichts im Wege. Der schöne Ausblick über Hanga Roa entschädigte jedoch jegliche Strapazen.


Ein paar Ausrutscher später kamen wir endlich am Krater des gigantischen Rano Kau an. Kurz mussten wir innehalten um die Magie dieses Ortes einzusaugen, den wir zu allem glücklichen Überfluss auch noch für uns alleine hatten! Uns offenbarte sich ein riesiger Süßwasser-Sumpf inmitten des Kraters, der hin und wieder von Seevögeln mit kurzen, schrillen Schreien belebt wurde. Ein Loch auf der Nordseite des Kraters erlaubte ebenfalls einen Blick auf das weite blaue Meer, das jedoch ganz an Bedeutung neben diesem vulkanischen Riesen verlor.



Und weil's so schön war, noch der Panorama-Shot!


Inzwischen klatschnass erreichten wir nach der halben Umrundung des Kraters die kleine Zentrale des Nationalparks "Orongo" am nördlichen Ende des Vulkans. Das immer noch nicht besser werdende Wetter gab uns die perfekte Chance um A: die Blasen zu leeren und B: alle Informationen der kleinen Ausstellung über Orongo und den Vogelmann-Kult durchzulesen, die sehr ansehnlich und kompakt an die Wände gehängt waren.

Als der gelbe Freund sich endlich wieder hinter den Wolken sehen ließ, beschlossen wir die ebenfalls komplett leeren Ruinen endlich zu besichtigen. "Orongo" erhält definitiv das Ruinen-Prädikat "Steine über Steinen vor Steinen unter mehr Steinen die neben Steinen liegen". Nicht jedoch, weil durch Verwitterung und menschliche Dummheit die Gebäude bis zur Unkenntlichkeit geschunden wurden, sondern weil die Behausungen der damaligen polynesischen Ureinwohner genau das waren.


Die Eingänge versprechen alles andere als Komfort, jedoch konnte man sich so ideal gegen die unberechenbaren und kalten Passatwinde schützen, die die Insel immer wieder heimsuchen. Auf dem Vorplatz spielten sich, wie man vermutet, die Zeremonien rund um den Vogelmann-Kult ab.

So fand nämlich jährlich ein Wettbewerb zur Ernennung des einjährigen Postens des Vogelmannes, dem höchsten Rang im Volke statt. Die tapfersten Männer schwammen von der Küste aus zur nahe liegenden Insel "Motu Nui" wo eine gewisse Zeit im Jahr eine Schwalbenart zuhause ist, die von den Inselbewohnern als Gottheit verehrt wurde. Die Männer verharrten solange auf der Insel bis einer das erste Vogelei des neuen Jahres fand - er war nun offiziell Vogelmann für die nächsten 365 Tage.




Irgendwie beneide ich das Orongo-Völkchen ja doch; Ich glaube niemand sonst konnte im Vorgarten ein kleines Inselchen mit Vögeln und im Hinterhof einen riesigen Vulkankrater sein eigen nennen. 

Auf dem Rückweg warfen wir noch einen Blick auf die in Stein gemeißelten "Petroglyphen", die Bildschrift der Ureinwohner. Hier wurden sowohl Fische, Vögel als auch Hybride aus Vogel und Mensch abgebildet - Vogelmann eben!


Am Nachmittag konnte ich es mir nicht nehmen lassen noch eine Runde in diesem einzigartigen Ambiente laufen zu gehen. Es ist ja nicht alle Tage, dass man beim joggen waschechte Moai zu sehen bekommt oder?


Beim Sonnenuntergang und dem verdienten Feierabend-Bier verabredeten wir uns mit zwei anderen Hostel-Gästen morgen in aller früh zum berühmtesten Moai-Altar dem "Ahu Tongariki" zu fahren um den wahrscheinlich imposantesten Sonnenaufgang auf diesem Planeten zu besichtigen. Freut euch schonmal!

Un abrazo,

Niclas

Montag, 24. Dezember 2012

Iorana, Rapa Nui!

Irgendwo inmitten des Pazifik liegt ein gerade mal 160 Quadrat-Kilometer großes Eiland. Im Umkreis von knapp 4000 Kilometern gibt es kein Anzeichen von weder Land noch Zivilisation - der offiziell entlegenste Ort der Welt.

Was treibt jemanden dann überhaupt auf jene Insel, die ihren Namen vom holländischen Entdecker Jakob Roggeveen am Ostersonntag 1722 bekam, dem Tag an dem erstmals die westliche Zivilisation Fuß auf diese von 3 großen Vulkanen erschaffene Insel setzte?

Für mich war es die Mystik, die dieser sagenumwobene Ort aufgrund seiner Geschichte, Lage und Monumente ausstrahlt - und um sagen zu können, dass man mal auf der Osterinsel war ;-).

Flüge werden nur von einer Airline - LAN (der chilenischen National-Airline) - und 3 Flughäfen (Santiago, Lima und Papeete auf Tahiti) aus angeboten. Inzwischen fliegen sie auch schon täglich und so konnten wir uns den Flug gemütlich aufs Wochenende buchen, um nicht zu viele Tage freinehmen zu müssen.


"In-Flight Entertainment!"

Nach dem sehr gemütlichen 5-stündigen Flug begrüßte uns ein feuchtes, aber sehr angenehmes 25° Klima am klitzekleinen "Mataveri Aeropuerto" in der 4000 Einwohner Osterinsel-Metropole "Hanga Roa".


Direkt am Flughafen kauft man auch seine Eintrittskarten für die zwei Nationalparks "Orongo" und "Rano Raraku". Wir, ausgestattet mit einer einjährigen chilenischen Staatsbürgerschaft, bekamen die Eintrittskarte anstatt für 60 für läppische 10 Euro!

Abgeholt wurden wir vom Besitzer des Hostels in dem wir die nächsten 6 Nächte verbringen würden. Natürlich durfte, so wie das auf allen polynesischen Inseln bekanntlich Brauch ist, der Blumenkranz als Willkommens-Geschenk nicht fehlen - IORANA!


"Wer sich immer noch fragt: "Iorana" = rapanui für "Hallo/Willkommen""

Wohnen sollten wir auf einem Campingplatz, jedoch in einem Doppelzimmer mit Privatbad. Für den unfassbaren Preis von 15€ p.P. die Nacht nisteten wir uns sehr gerne dort ein! Man überlege sich mal, wie hoch die Hotelpreise wären, wenn diese Insel Deutschland gehören würde - Que viva Chile!

Es war zwar schon etwas später am Nachmittag, aber eine kleine Erkundungstour durch Hanga Roa war auf jeden Fall noch drin! Alle Sachen abgelegt ging es also entlang der "Hauptstraße" ein paar Minimärkte abklappern um Essen zu kaufen - der einzige Nachteil am Hostelpreis, wir mussten uns komplett selber ernähren!


"Atamu Tekena - die belebte Hauptstraße Hanga Roas"

Leider ist nicht ALLES rosig, wenn man auf dieser paradiesischen Insel lebt. Die Preise sind, wie man sich vorstellen kann, aufgrund des langen Transportweges unverschämt teuer. Zähneknirschend musten wir somit für das 6-Pack Dosenbier für 10, die Packung 400g Spaghetti für knapp 3 und die dazugehörige Soße 250ml für 2 Euro tief in die Tasche greifen.

Wir schlenderten ein bisschen weiter und kamen am Fußballplatz vorbei, wo zufällig gerade die zwei örtlichen Clubs ihr wöchentliches Aufeinandertreffen austrugen. Mit deutschem Fußballblut in den Venen und zufällig 6 Bier in der Einkaufstüte, gab es natürlich keine andere Option als sich gemütlich den ersten Schluck Gerstensaft nach einem langen Tag bei "Stadionatmosphäre" zu gönnen.



"Live dabei in der hitzigen Halbzeit-Ansprache"

Zurück im Hostel gönnten wir uns jeder ein Fläschchen des lokal!!! gebrauten Porters "Mahina". Dafür, dass es das entlegenste Starkbier der Welt ist, ist es verdammt noch mal lecker!


Erwähnte ich schon, dass unser Campingplatz perfekte Lage mit direktem Blick auf Steilküste und Meer hatte? Zusammen mit der Tatsache, dass sich Hanga Roa auf der Westseite, und somit Sonnenuntergangs-Seite befand ein wahrer Glücksgriff!

Bevor wir uns jedoch vor der Haustür dieses Spektakel zum Tagesabschluss angucken wollten, beschlossen wir noch einen kurzen Trip herunter zum Hafen zu machen um unseren ersten, waschechten Moai zu betrachten!


"Hafen Hanga Roa"


"Der erste von vielen Steinköpfen"

Auf dem Weg zurück erlebten wir dann unseren ersten Sonnenuntergang im Paradies. Dem Rauschen der sich am Kliff berstenden Wellen lauschend beobachteten wir, wie die Sonne langsam in den Weiten des Pazifiks versank. Ein paar gute Aufnahmen sind uns auch gelungen:




Später wurden wir noch von Kenji, einem Japaner der ebenfalls auf dem Camping Platz wohnte, dazu eingeladen für 5 Euro ein waschechtes japanisches Fisch-BBQ zu bekommen. Wer hätte gedacht, dass wir am ersten Abend schon kulinarisch mit gegrilltem Fisch und Sashimi inklusive original japanischer Soya-Sauce verwöhnt werden sollten. 

Ein durchaus gelungener Abschluss eines sehr aufregenden ersten Abends! Mal sehen, welche Abenteuer morgen so auf uns warten....

Un abrazo,

Niclas

Samstag, 22. Dezember 2012

Ra-Ra-Ra Rangers de Talca!!

So verschieden eine Kultur auch sein mag, es gibt eine Leidenschaft, die die Menschen in fast jedem Winkel der Erde verbindet: das Spiel mit der runden Kugel. Genau wie in Deutschland dreht sich hier in Chile Samstag mittags alles um König Fußball. Das ganze Land verfolgt dann z.B. den "Clasico Chileno" zwischen "Colo-Colo Santiago" und der "Universidad de Chile", den zwei größten Namen im chilenischen Fußball, live vor der Mattscheibe.

Der Fußballclub meiner neuen Heimat, "Rangers de Talca" ist glücklicherweise letztes Jahr zurück in die "Primera División" gekehrt. So konnte ich die sehr gute "Clausura-Saison" (es gibt hier nur Halbjahresmeisterschaften: Apertura "Eröffnung" und Clausura "Beendigung") der Talquinos jedes Wochenende im TV mitverfolgen - schließlich muss man hier in Chile für Auswärtsspiele im Extremfall 2000km fahren!

Die besten 8 Mannschaften jeder Halbjahres-Saison spielen schlussendlich im "Play-Off" um die Meisterschaft. Mit dem solide erspielten 4. Platz durften also auch die "Rangers" einen Teil des Kuchen abhaben.

Das Rückspiel im Halbfinale der "Play-Offs" fand ich als gute Gelegenheit meine ersten chilenischen Stadionerfahrungen zu sammeln. Auf dem Weg zum Stadion schlossen wir uns bereits einer kleinen Prozession der Blockfans an.



Das erste was auffällt, wenn man das Stadion betritt, sind die Sicherheitsvorkehrungen. Das Sicherheitskonzept der DFL und DFB, das in Deutschland zurzeit für Aufregung sorgt ist im Vergleich - überraschenderweise - nichts im Gegensatz zu Chile. Der Stehplatz ist längst abgeschafft, rund 20 Polizisten am einzigen Eingang überprüfen JEDEN Besucher und ALLE Handtaschen, und Alkohol ist im Stadion absolut VERBOTEN!!!

Auch wer auf die intelligente Idee kommen sollte sich eben vorher einen ordentlichen Vorrat an Bier in den Bauch zu bechern wird enttäuscht - Eintritt ohne jeglichen Einfluss von Alkohol! Trotzdem leidet die Stimmung keineswegs an den verschärften Regeln; vielmehr wird das ganze Spiel - auch über den Block hinaus - gesungen und lautstark angefeuert.




Das Spiel hingegen ist für ein vom hoch entwickelten deutschen Fußball verwöhntes Auge das absolute Grauen. Fehlpässe ins Nirgendwo, der Torwart mit Ausflügen bis zu 10m außerhalb des 16ers und lauffaule Spieler sorgen für Verzweiflung in der Anhängerschaft - Prädikat höchstens 3. deutsche Bundesliga. Meinen Spaß hatte ich trotzdem beim Lernen und Mitsingen der Lieder - schade nur, dass wir nach einem 1:1 ausschieden und nun im nächsten Jahr den erneuten Anlauf auf die Meisterschaft vornehmen müssen.

Ansonsten brach die letzte Woche für alle Studenten vor den Sommerferien an, was gleichzeitig hieß, dass auch alle europäischen Austauschstudenten so langsam zurück in ihr Land fliegen müssen. Somit stand die ganze Woche ganz im Zeichen von Abschiedspartys und dem ein oder anderem Abschiedsessen.


Ist immer wieder schön so gute Bekanntschaften zu machen, da wir uns alle in der selben Situation befinden!

Dieser soll ein kurzer Beitrag werden, da nun die nächsten Tage mein ausführlicher Erfahrungsbericht meiner Reise auf die Osterinsel folgt. In diesem Sinne:

Abrazos,

Niclas

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Ein paar Ereignisse...


Fast von jedem Chilenen mit dem ich darüber rede, welche Orte ich in Chile bereits besucht habe und was meine Reisepläne für die Zukunft sind, muss ich mir folgende Sätze anhören: Version A "Mann, am Ende kennst du ja mehr von Chile als ich selbst!" oder Version B "Von der Hälfte dieser Orte hab ich in meinem Leben noch nie gehört!"

In der Tat wissen Chilenen sehr wenig um die Naturschönheiten, die manchmal direkt vor ihren Augen liegen. Vielleicht kennen wir diese Plätze aber auch nur, weil wir uns als Besucher sowieso intensiver mit dem Land und unseren Reisemöglichkeiten beschäftigen.

Eine dieser fast unbekannten Perlen der chilenischen Natur wollten wir zusammen mit Frank, ein deutscher (eben er als Ausländer kennt diese Plätze ja ;-)) Reiseführer, der hier in Talca den Stammtisch organisiert, besuchen: Den Salto Arco de Iris (Regenbogenwasserfall) nah an der Grenze zu Argentinien, hoch oben in den Anden.

Proviant und Wanderlust eingepackt ging es früh morgens mit dem Mini-Van in Richtung Kordillere.
Der Pass nach Argentinien ist eigentlich nur im Sommer offen, da im Winter zu viel Schnee und Steinschlag-Gefahr ist. Mit einer Sondergenehmigung durften wir aber trotzdem durch die Kontrolle - in 2 Wochen wird er eh eröffnet.

Am Ausgangspunkt angekommen begrüßte uns ein mäßiger Wind und rund 15° Außentemperatur. Wenn die Sonne nicht scheint purzeln die Grade hier in Chile in Sekundenschnelle! 



Nach ein paar Minuten wandern durch die karge Landschaft konnten wir schon das erste Highlight auf unserer Tour bewundern: Der "Backenzahn des Teufels"! Es ist irgendeine Form von Sandstein und hat sich über die Jahre so geformt - sieht interessant aus, nicht?



Über Stock und Stein ging es an den Ufern des "Río Maule", dem namensgebenden Fluss unserer Region entlang, bis wir schon einen ersten Blick auf den "Salto Arco de Iris" werfen konnten.



Das Wetter spielte im entscheidenden Moment auch super mit und so hatten wir binnen 5 Minuten einen glasklaren Himmel und 10 Grad mehr auf dem Thermometer! Die Berge sind echt tückisch, ich habe an diesem Tag meine Jacke gefühlte 50 Mal aus und wieder angezogen!

Bis zu unserem Picknick-Stopp am Fuß eines anderen Wasserfalls ging es aber noch ein Stückchen weiter durch das malerische, fast schon unwirklich erscheinende Tal. Ich lasse euch hier kurz mit ein paar Impressionen alleine:




Nach rund 2 Stunden Wanderung kamen wir schließlich an besagtem Wasserfall für eine kleine Stärkung an. Frank hatte Brot, Käse und Schinken für den kleinen Hunger mitgebracht. Leider schlug das Wetter wieder um und wir mussten unser Sandwich bei gefühlter Windstärke 12 verzehren.



Zurück zum Auto ging es also wieder den gleichen Weg, jedoch bei sich immer weiter zuziehenden Wolken. Dort angekommen fuhren wir noch weitere 6 Kilometer östlich um an den Abgrund des eben bewunderten "Salto Arco de Iris" zu kommen. Leider wurde es immer ungemütlicher und auch die ersten Wassertropfen landeten auf meinem Gesicht.

Nichtsdestotrotz sollte dem eigentlichen Highlight nichts im Wege stehen - zumindest von meiner Seite aus. Also wechselte ich schnell in meine Badehose und quälte mich zitternd bei nun knapp 7 Grad zur Wasserkante. Egal wie - es musste nur irgendwie schnell gehen - wollte ich in dem sich natürlich geformten Schwimmbecken 3 Meter vor dem 150m steilen Abgrund baden gehen!



Bereuen sollte ich es trotzdem nicht: Nach dem knapp 2-minütigen Badegang fühlte ich mich wie neugeboren und fast resistent gegen jede Art Wind oder Kälte die noch in unserer Umgebung herrschte ;-).



Umgezogen und ein Gruppenbild später ging es noch ein bisschen das Tal entlang bis wir uns schließlich aufgrund des immer stärker werdenden Regens entschieden die Heimreise anzutreten. 



Eigentlich sollte der Rückweg auch wieder nur 1 1/2 Stunden dauern, aber es machte uns eine ganz eigene chilenische Tradition einen Schnitt durch die Rechnung: Wenn in Chile nämlich bedeutende (oder reiche) Persönlichkeiten sterben, wird eine extravagant große Feier veranstaltet. Um jedoch zum Friedhof zu kommen versammeln sich die rund 300 Menschen mit ihren knapp 150 Autos am Haus des Toten und bilden von dort aus eine Karawane die in SCHRITTTEMPO!!!! zum Friedhof fährt. Natürlich gerieten wir in genau so eine auf der EINSPURIGEN Landstraße zurück nach Talca….Erneute Geduldsprobe für mein deutsches Gemüt, da wir rund 1 Stunde hinterher tuckern mussten.

Gut ausgeschlafen ging es Freitags munter auf die Arbeit. Für heute stand ein Ausflug an den "Río Claro" mit den älteren Herrschaften an, um zu grillen und ein wenig Abwechslung in die Tagesroutine zu bekommen. Zusammen mit unserem Busfahrer, der die 20 abuelitos samt Essen und Geschirr an den Fluss befördert hatte, sollte ich mich um das asado kümmern; bzw. zuerst einmal um das Feuer.

Nicht schlecht gestaunt habe ich, als der Busfahrer zur Holzkohle die Plastiktüten dazuwarf um das Feuer schneller zu entzünden! Als ich im erzählt hab', dass das ziemlich krebserregend wirken kann, hat er mich wie aus allen Wolken fallend angeguckt und sie sofort entfernt - gerade an Aufklärung von gesundheitsschädlichen Dingen leidet es in diesem Land. Stattdessen werden "light" Produkte wie am Fließband verkauft und auch noch als "viel gesünder" und "weniger fettmachend" betitelt. Die breite naive Masse glaubt das dann leider.

Trotzalledem habe ich nun endlich gelernt, wie man denn ein leckeres chilenisches asado anfertigt. Zuerst wird nämlich der Grill mit einer Zwiebel bestrichen. Danach wird das Fleisch (roh und ohne Gewürz) kräftig mit Salz eingerieben und auf das Blech geknallt! Klingt simpel ist aber unfassbar lecker - und BBQ Saucen braucht man auch keine!



Ein lokaler Sänger war von einer Mitarbeiterin eingeladen und bedudelte uns noch den Rest des Ausfluges mit chilenischen Klängen während sich alle am leckeren Essen und guten Konversationen erfreuten.



Am Abend trafen sich die Ausländer Talcas um zusammen die letzte Woche einiger unserer Freunde, die wieder in ihre Länder in aller Welt zurückkehren, einzuläuten. Zur Feier des Tages hatten wir in einem talquinischen Club eine Party organisiert um dies auch gebührend zu feiern. Der Bus, der sogar extra organisiert war um uns vom Campus zum Club zu fahren, kam aber nie - wenn man von einem Taxifahrer o.ä. gesagt bekommt "Ich bin in 10 Minuten da" fängt man hier generell besser schonmal an zu laufen. Gottseidank gibt es aber Privattaxis, deren Fahrer man auch unter der Woche aus dem Schlaf klingeln darf - Wir kamen deshalb trotzdem noch rechtzeitig an.

An diesem Tag startete auch DAS wichtigste Event für die Chilenen nach ihrem Nationalfeiertag, dem 18. September. Wer da an irgendein anderes wichtiges Datum wie z.B. den Neuanfang als Demokratie 1990 denkt, liegt denkbar falsch..

Der TELETON ist vom 30-1. Dezember das Thema von dem jeder spricht. 48 Stunden läuft dann auf allen 5 nationalen Kanälen eine Charity-Show, die immer wieder Geschichten von Kindern erzählt, die ein schweres Schicksal erleidet haben. Zeitgleich sind alle Banken in allen chilenischen Städten geöffnet um Spenden von den Leuten einzusammeln. Wie verrückt rennt dann jeder zur nächstbesten Bank um ein paar Luka, wie die 1000 Peso Scheine hier genannt werden, in die Trommel zu werfen.

Alles schön und gut. Die traurige Seite ist, dass sich den Rest des Jahres keiner um diese Kinder schert. Ob das gespendete Geld schlussendlich auch seinen Weg zu den Bedürftigen findet, ist ebenfalls anzuzweifeln. Generell bekommen diese Kinder KEINERLEI Unterstützung des Staates. So etwas wie den Behinderten-Ausweis gibt es hier nicht.

Ich liebe die Chilenen, aber König Fernseher ist hier die Gottheit…Andere (effiziente) Meinungsresourcen gibt es wenig und so glaubt die Mehrheit alles, was ihnen in der Mattscheibe schönes erzählt wird. 

Hier zwei aktuelle Beispiel-Märchen, die das Fernsehen wie verrückt breittretet und die Öffentlichkeit schluckt:

1. Die Welt geht am 21. Dezember unter.
    - kein Spaß, es gibt Leute die jetzt schon wie wild hamstern!

2. Geht die Welt nicht unter, verschwindet die Sonne vom 21-24. Dezember und es ist 3 Tage dunkel.
- Na dann, sie ist bestimmt nur kurz einkaufen...


Einen mayanischen abrazo,

Euer Niclas

Mittwoch, 5. Dezember 2012

1,2,3 UCM!!!!!

"Die Chance klopft öfter an als man meint, aber meistens ist niemand zu Hause." - In meinem noch jungen Leben habe ich genau eines aus diesem Sprichwort des amerikanischen Humoristen Will Rogers gelernt: Gelegenheiten sind überall, aber die meisten Menschen vergessen links und rechts nach ihnen Ausschau zu halten und sie bei der Hand zu packen.

Da mir wie in den USA, nur ein Jahr in Chile bleibt, um möglichst viel mitzunehmen, habe ich mich automatisch in einen Gelegenheits-Sucher entwickeln müssen. Und ich muss sagen, ich bin wohl ziemlich gut darin ;-).

Da ich die Suche nach einer Handball-Mannschaft damals nie aufgab, ergab sich mir das einzigartige Erlebnis - wie das letzte Mal berichtet - an den nationalen chilenischen Handball-Meisterschaften mit dem "Club Deportivo Universidad Catolica del Maule TALCA" teilzunehmen!

Dienstag bis Samstag war also Handball-PUR! angesagt. Und wie es sich für ein Event von nationaler Größe gehört bekamen wir auch alle 4 Tage Vollpension im Windsor-Suites Hotel in Santiago spendiert - not bad!


"Wir kommen an!"


"Dem Luxus nicht zu wenig - eine Terrasse mit Blick auf den Hügel Santa Lucía"


Los geht's mit:

TAG 1:

Frisch eingecheckt ging es direkt den Kohlenhydrat-Spiegel beim Mittagessen mit leckerer Pasta auffüllen - schließlich mussten wir noch diesen Nachmittag unser erstes Gruppenspiel gegen den Vertreter der südchilenischen Stadt Valdivia - CD Kimeltu - bestreiten.

Schuhe, Trikotsatz und Flüssigkeiten eingepackt, holte uns der Reisebus Punkt 16:00 am Hotel ab um uns ein erneutes Mal zum CEO zu bringen. Schon vor dem Eingang stand ein riesiger Van des Fernsehsenders CDO, der unsere heutige Partie live im Pay-TV übertragen sollte - Was für eine supergeniale Sache!



Generell war ich sowohl begeistert als auch ziemlich überrascht über den finanziellen als auch medien-technischen Aufwand, den man hier für uns betrieb! Handball ist schließlich immer noch eine Randsportart in Chile (das ist aber auch jeder Sport außer König Fußball).

Nach kurzen Interviews der Trainer und Aufstellung der Mannschaften am Mittelkreis, durften wir kurz in die Kamera winken bevor das Spiel, gepfiffen von Nationalspieler Victor Donoso(!!), endlich losging. Es war ein enges Spiel, das aufgrund vieler individueller Fehler jedoch immer zugunsten einer Mannschaft fiel. Am Ende entschieden wir die Partie jedoch mit 35:30 für uns. Was für ein Einstand! Unser Ziel, mindestens einen Sieg aus dem Turnier mitzunehmen und somit wenigstens für das Spiel um Platz 5 zu qualifizieren, erfüllte sich bereits am ersten Tag!




Auch ich hatte keinen schlechten Tag erwischt und wurde mit 10 Toren zum Spieler des Spiels gewählt - inklusive Interview mit der durchaus heißen Moderatorin! Ich weiß nicht ob es an ihr lag oder meiner Erschöpfung, dass ich trotzdem nur irgendwelchen Kauderwelsch herausbrachte - souverän gemeistert Herr Gottmann!

Der Aufregung nicht genug kam ich kurz nach dem Spiel noch zu einer ganz besonderen Ehre: der Trainer der Nationalmannschaft höchstpersönlich (er führte Chile bereits zur WM und London 2012) lud mich zur Seleccion ein und fragte mich, ob ich denn irgendein offizielles chilenisches Dokument besäße.

Leider besteht die einzige Möglichkeit im D-Zug chilenischer Staatsbürger zu werden darin, eine Chilenin zu heiraten (was als blonder Europäer leichter ist als sich mit einer besoffenen Amerikanerin in Vegas zu liieren)...Ich mit meinen knapp 20 Umrundungen aber fühle mich da noch ein bisschen zu jung um vor den Altar zu treten!

Also musste ich schweren Herzens verneinen - kein Rio 2016 für mich haha!

Was für ein Tag, irgendwie fühlt man sich dann doch auch fast wie ein Profisportler mit Hotelleben zusammen mit den anderen Mannschaften, Bustransfer und Fernsehübertragung ;-)

Nach einem Siegerbier ging es dann aber auch ab ins Land der Träume um am nächsten Tag fit zu sein, denn...

TAG 2:

...es ging zum ersten Mal gegen eine Mannschaft mit Nationalspielern. Ausgeschlafen und mit einem herzhaften Frühstück im Gepäck ging es in Richtung Halle. Unser Spiel wurde heute nicht übertragen, was im Nachhinein auch ganz gut war so.

Denn wie man so schön sagt kommt nach dem Hochmut der Fall und mit ihm eine 53:23 Klatsche!
Man merkte, dass die Mannschaft angeschlagen vom gestrigen Spiel war und uns fehlte im Kollektiv die Motivation und Zusammenarbeit. Und dann verliert man auch mal so hoch!

Es war trotzdem eine geile Erfahrung einen Nationalspieler decken zu müssen, der zudem schon bei den beiden bedeutendsten Turnieren im Handballsport teilnahm! - Chancen diesen 2,05m Koloss auszuschalten hatte ich kaum...aber ich musste auch halb decken, was nicht unbedingt meine Stärke ist ;-).



Zumindest gewann am Abend das lokale Fußball-Team aus Talca ihr Viertelfinal-Hinspiel der chilenischen Play-Offs...ein kleiner Wermutstropfen.

TAG 3:

Der im Turnier für mich als Feldspieler aufregendste Tag, da im gegnerischen Tor die Nummer 1 der Nationalmannschaft Felipe Barrientos zwischen den Aluminium-Pfosten stand! Ein waschechtes Finale um den Halbfinal-Einzug zudem, da beide Mannschaften mit jeweils einem Sieg und einer Niederlage in die Partie gingen.


"Das ist der Typ!"

Wir kämpften hart aber verloren schließlich auch die zweite Partie in Folge mit 32:17. Zumindest war unser Auftritt diesmal ganz anders als eklatant, wie der vom Vortag. Mein eigenes kleines Erfolgserlebnis war jedoch die hervorragende Quote gegen Barrientos: 6 von 9 Würfen waren im Netz, dazu auch ein 7-Meter. Ihr könnt euch nicht vorstellen was für ein geiles Gefühl das ist im 1-1 beim 7-Meter vor einem Olympia und WM-Torwart zu stehen - GEIL!

Auch diese Partie wurde nicht aufgenommen, jedoch bekamen wir eine DVD mit der ersten Partie, die wir zurück im Hotel 3 Stunden lang analysierten und uns für das am nächsten Tag folgende Spiel um den 5ten Platz vorzubereiten. Ebenfalls ein geiles Andenken, da ich jetzt diese professionelle Aufnahme mit Kommentatoren, Zeitlupe und meinem Interview besitze!

So langsam spürte ich aber auch jeden einzigen Knochen und Muskel meines Körpers - 3 Tage in Folge 60 Minuten durchspielen geht an die Substanz.

TAG 4:

Das letzte Mal ging es heute zurück in die Halle um besagtes Spiel um den 5ten Platz gegen den Vertreter aus Puerto Montt, eine Stadt ebenfalls im Süden Chiles zu absolvieren. Sie hatten sich zur Feier des Tages alle einmal quer die Haare rasiert - was bescheuertes hab ich in meinem Leben vorher noch nie gesehen. Also entweder alles ab oder alles drauf - aber bitte nicht halb ab!


"Gruß in die Kamera"

Mit ungefähr 70% mir noch verbleibender Energie musste ich also wieder 60 Minuten auf den Platz und wurde zudem noch Mann gedeckt...heißt: freilaufen - und das kostet!


"Man beachte die Haarpracht des Gegners!"


Die Halbzeit lag ich komplett hechelnd auf dem Boden, es wird langsam echt Zeit mal wieder Platz zwischen den Rippen zu schaffen und intensiv Sport zu treiben ;-).

Das Spiel ging vor laufender Kamera leider mit 32:28 verloren, was uns aber trotzdem einen versöhnlichen 6ten Platz in der ersten chilenischen Meisterschaft im Handball besorgte! Bedenkt man, dass im kompletten Qualifikationsprozess ganze 32 Mannschaften teilgenommen haben, klingt 6ter ja auch gar nicht mal soooo schlecht ;-)

Da man uns noch eine Nacht im Hotel schenkte, entschieden wir uns dieses Angebot auch wahrzunehmen und Santiago unsicher zu machen. Nachdem ich mich kurz mit Ronja getroffen hatte, die zufällig auch gerade in Santiago unterwegs war, ging es ab nach Bellavista, wo ich nicht unweit vom Pablo Neruda Haus mit ein paar Freunden die erfolgreiche Woche ausklingen ließ, bevor es am Samstag-Mittag wieder nach Talca ging.

Was dort wieder spannendes passiert ist, das erzähl ich euch beim nächsten Mal!

Abrazos,

Niclas