Dienstag, 14. Mai 2013

Logbuch Fähre "Evangelistas", Tag 2: "Canal Pulluche"

8:00 Uhr:

"Eine schrille Alarmglocke weckt uns aus unseren Träumen: "Das Frühstück für alle Ungeraden Kabinen ist nun serviert" - wir sind leider betroffen und müssen uns heute als Erste aus dem Bett quälen. Das Frühstück überrascht ebenfalls! Eine reiche Auswahl von Käse, Schinken, Marmelade und Honig erleichtert den Einstieg in den Tag."

10:02 Uhr:

"Wir schippern nun bereits durch die Meeresengen des "Canal Pulluche". Rechts und links türmen sich knapp 100m hohe, grasgrüne Hügel auf. Wir starten den Tag mit einer hitzigen Runde Canasta - andere Freizeitaktivitäten machen sich auf einem Containerschiff schließlich rar."


11:20 Uhr:

"Wir saugen ein bisschen die Atmosphäre ein. An Deck ist es glücklicherweise nicht zu kalt und man kann sich schnurstracks im Pub immer wieder aufwärmen. Wir kommen ins Gespräch mit weiteren deutschen Touristen. Bis zum Mittagessen vertreiben wir uns die Zeit mit seelenbaumeln und Fotographie."




15:49 Uhr:

"Wir passieren die erste Ranger-Station. Wie verlassen treibt sie in den ruhigen Gewässern des Fjordes. Ich frage mich, wie es für die Ranger der CONAF sein muss, ein halbes Jahr auf diesem verlassenen Hausboot zu treiben."



16:36 Uhr:

"Entspannen an Deck. Die Sonne kommt kurz heraus und wir begrüßen sie - die 4 Uhr Marke ist schließlich schon erreicht - mit dem ersten Bier des Tages. Die Schluchten werden ein letztes Mal enger bevor es in knapp einer Stunde hinaus auf die offene See gehen soll. Ich will gar nicht daran denken, was uns dort auf diesem Kutter für eine Wackelpartie erwarten wird..."




18:58 Uhr:

""Ballenas, Steuerbord! Ballenas, Steuerbord!" ertönt es aus den Lautsprechern. Wir haben gerade unser Abendessen verschlungen, als ein aufgeregter Kapitän den ganzen Speisesaal in Furore bringt. Ich bin verwirrt. Das Wort "ballenas" ist mir nicht geläufig und ich verstehe nicht, warum der Kapitän einen derartigen Gefühlsausbruch wegen "gallinas" (span. = "Hennen"), das Wort, welches mein Gehirn aus dem Kontext filtert, bekommt. Nun gut, über das Wasser laufende Jesus-Hähnchen - das wäre natürlich eine ziemliche Sensation! Irgendetwas verstehe ich hier jedoch falsch - das ist mir klar. Schnell werde ich von Jakob aufgeklärt: es handelt sich um Wale! Wir sprinten an Deck und sehen in der Ferne in regelmäßigen Abstand Fontänen aus dem Wasser schießen. Leider sind sie zu weit entfernt um eine Flosse oder einen Rücken auszumachen. Genauso schwierig gestaltet sich das Festhalten dieses Spektakels auf unserem elektronischen Firlefanz. Wir befinden uns bereits in der Meeresöffnung...da ist er: der Pazifik!


20:55 Uhr:

"Eine wunderbare Aufnahme der Sonne gelingt mir, wie sie in den weiten des "ruhigen Ozeanes" versinkt. Die Wellen nehmen bereits zu, das Boot schwankt und ich setze mich lieber auf den Boden."


21:41 Uhr: 

"Zweite Aufruhr des Tages und dieses Mal gibt es keine Missverständnisse mit dem Vokabular: DELFINE! Und das nicht wenige - rund 200 Kaltwasser-Delfine tümmeln sich an Steuerbord-Seite und folgen uns auf Schritt und Tritt für die nächsten 10 Minuten. Ein unglaublich schönes Spektakel spielt sich vor unseren Augen in der Abendsonne ab. Fast vergesse ich sogar den immer wieder aufkommenden Würgereiz, den mein Gleichgewichtssystem inzwischen pausenlos initiiert. Um die Flossen in den Bildern zu erkennen ist sehr wohl ein gutes Auge von Nöten - aber man kann sie erkennen! 



22:10 Uhr:

"Man bietet mir noch ein Absacker-Bier an doch mein Magen hat sich zu diesem Zeitpunkt schon um gefühlte 720° gedreht. Ich entscheide mich für die Variante Koje und taumele Richtung Kabine. 20 Minuten muss ich auch auf der Matratze mit den Wellen kämpfen, bis schließlich doch meine Müdigkeit siegt."

Montag, 13. Mai 2013

Logbuch Fähre "Evangelistas", Tag 1: "Golf von Ancud"

14:24 Uhr:

"Wir betreten zum ersten Mal unsere Kabine. Sie ist, nun ja, klein aber fein! Jeder bekommt seine eigenen 2 Quadratmeter Bett zugeteilt, die er - um ein bisschen Privatsphäre zu garantieren - mit einem Vorhang bedecken kann. Die sanitären Bereiche liegen außerhalb der Kabine im Gang - ab heute heißt es für 4 Tage Duschen teilen mit 50 anderen Schiffsgästen!"


14:38 Uhr:

"Unsere Entdeckungstour durch das Innere der Fähre führt uns schließlich an Deck. Hier haben sich nun schon so gut wie alle 200 Passagiere eingefunden und man kann Gesprächen in den unterschiedlichsten Sprachen lauschen - die meisten jedoch europäischer Abstammung. Ganz besonders nervt mich jedoch eine deutsche Dame, die anscheinend mit Allen ihren unfassbar ausgeprägten deutschen Akzent beim Englisch sprechen teilen muss. Nach 5 Minuten "Oh, jes, jes, wärrri gut! Mi änt mei hasbänt häff olso ä lot of fun on se boot!" spüre ich schon langsam das Blut aus meinem Gehörgang tropfen."




16:22 Uhr:

"Natürlich dauert es nicht lange und es fließt zum ersten Mal Alkohol. Mit mexikanischem Bier stoßen wir auf die hoffentlich ereignisreiche Reise an."


17:02 Uhr:

"Das Schiff setzt sich langsam in Bewegung und wir genießen bei angenehmem Sonnenschein und einem leichten Wind die Aussicht auf die Bucht von Puerto Montt und den Golf von Ancud, durch welchem wir nun gen Süden schippern. Im Hintergrund sehen wir den majestätischen "Volcán Osorno" langsam aber sicher am Horizont verschwinden."



21:13 Uhr:

"Das erste Mahl an Bord war überraschenderweise sehr köstlich! Damit es in der bordeigenen Cafeteria nicht zu voll wird, werden Mahlzeit zu Mahlzeit abwechselnd gerade und ungerade Kabinen zuerst zu Tisch gebeten. Die nette Crew führt uns danach mit einer Präsentation durch die uns bevorstehende Reise und die Highlights, die wir (hoffentlich) anfahren werden - alles hängt vom Wetter ab. Nach einer Runde Canasta im Pub, der sich auf gleicher Ebene mit dem Deck befindet, genießen wir den ersten Sonnenuntergang auf See bei einem Gläschen Wein."



00:27 Uhr:

"Ich kann nicht schlafen und unternehme eine kleine nächtliche Tour an den Bug des Schiffes. Über dem 2m hohen Radarmast öffnet sich mir ein genialer Sternenhimmel. Leider kann ich mit meiner Kamera dieses Naturspektakel nicht stimmungsgerecht festhalten. Ich genieße ein bisschen die Atmosphäre bevor ich mich schließlich in meine Koje quetsche."


Freitag, 10. Mai 2013

Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön...

...denn da kann man viele Leute von der Reling kotzen sehen -  Mich inbegriffen! Kleine Schiffe sind mir seit Kindertagen nicht geheuer und wenn ich mich dann doch einmal auf die hohe See wagen sollte, dann auch nur auf großen Kreuzfahrtschiffen.

Sowohl die "Navimag-Ferry", das Transportschiff, welches uns die nächsten 4 Tage durch die patagonische Fjord-Landschaft nach "Puerto Natales" bringen sollte, noch die Tücken der von Meeresengen gezeichneten patagonischen See konnte ich wirklich im Voraus auf ihr "Schwankpotenzial" beurteilen.

Doch noch stand ich mit beiden Beinen auf festem Boden - die letzten Vorbereitungen für die Überfahrt und unser 8-tägiges Wander-Abenteuer danach im "Torres del Paine - Nationalpark" mussten schon in Puerto Montt auf Hochtouren laufen, da wir im kleinen Transitions-Städtchen Puerto Natales keine großen Ausrüstungsmöglichkeiten vermuteten.

"Wir" waren inzwischen zu viert. Neben Maike und mir hatten sich noch Jakob und Wiebke, eine ebenfalls deutsche Freundin aus Talca, dem Team angeschlossen.

Neben wichtigen letzten Einkäufen wie ein Kartenspiel für langweilige Momente, Müllsäcke gegen Regen oder Sigg-Flaschen für den täglichen Wasserkonsum, wollten wir unseren letzten Tag in der "wirklichen" Zivilisation noch einmal mit einem Festmahl genießen: hausgemachte Burger!


"Der Steg Puerto Montts"


"Die Hafen-Promenade"

Im sehr familiären Hostel machten wir noch mit einer australischen Familie und mehreren Franzosen Bekanntschaft, die am nächsten Morgen ebenfalls mit uns ins maritime Abenteuer starteten. Von zwei Deutschen holten wir uns letzte Tips für unsere große Wandertour.

Freitags in der Früh ging es also endlich zum Hafen und in die Boarding-Halle der "Navimag Ferries". Schon hier viel mir die klar geteilte Kundschaft zwischen Backpackern und - vor Allem deutschen - Rentnern auf. Spaßige Mischung - Das konnte ja nur schief gehen!

Was folgte waren zunächst jedoch mal wieder zwei meisterhafte Demonstrationen der chilenischen Unbesorgtheit. Während der Deutsche beim Einchecken auf ein Schiff auf Herz und Nieren geprüft wird, musste ich nicht mal meinen Reisepass(!!!!!) vorzeigen, sondern durfte mit der Vorlage meiner Buchungsbestätigung problemlos meine Boarding-Karten entgegen nehmen - für alle 4! Namensabgleich und "schwupps" - warum der große Stress? Immer wieder verblüffend die Gelassenheit dieses Volkes...oder doch einfach nur Faulheit?

Die explizite Regel, dass die Mitnahme alkoholischer Getränke absolut verboten sei, interessierte wohl auch Niemanden. Anders kann ich mir nämlich nicht erklären warum keiner unsere 8l Wein und die Flasche Jack Daniel's in unseren Rucksäcken entdeckte.

Da das Schiff erst gegen 16:00 bereit zum Boarding gewesen wäre, schlenderten wir noch durch das Hafenviertel, kauften Souvenirs und gönnten uns schließlich noch einen leckeren "Lomito" (Chilenischer Burger) in einem kleinen Hafenstand. Die ersten kritischen Blicke auf die Fähre konnten wir hierbei auch schon machen:


"Stabil sieht sie allemal aus..."


"...zumindest stabiler als dieser blaue Kutter, der seine besten Tage wohl schon hinter sich hatte."

Meine ersten deutschen Rentner-Freunde konnte ich auch noch machen - ein offenes, jedoch sehr bedachtes und intelligentes Paar aus Hannover. Zwar treffe ich viele Deutsche auf meinen Reisen, doch die ältere Generation trägt die Tugenden unserer deutschen Kultur einfach auf der Zunge. Bei der Unterhaltung habe ich mich seit Langem mal wieder ein bisschen wie zuhause gefühlt! 

Kurz danach wurden endlich die Tore geöffnet und durch das Heck der Fähre gelangten wir auf unser neues Heim für 4 Tage...



Ab morgen hält euch dann mein Logbuch auf dem Laufenden - bis dahin!

Un abrazo,

Niclas

Donnerstag, 9. Mai 2013

Ein Heim auf Stelzen

Zeit ist relativ - nicht nur Einstein sondern auch ich musste inzwischen diese Erkenntnis machen. Hat man Spaß an der Sache, ist man schneller damit fertig als man überhaupt anfangen kann richtig zu genießen. 

Kaum auf Chiloé angekommen, war nach 4 spannenden Tagen nun schließlich auch unser letzter Tag angebrochen. Da wir die vergangenen Tage nur damit beschäftigt waren andere Teile der Insel zu erkunden, war heute die Hauptstadt selbst, Castro, an der Reihe.

Zusammen mit den Trink-Veteranen des vorigen Abends machten wir uns also fleißig zur Mittagsstunde auf, um die "Stelzenhäuser", berühmtes Fotomotiv und der wahre Grund für Chiloés Bekanntheitsgrad bei Touristen, zu besichtigen. 

Da eine 30.000 Einwohner "Metropole" natürlich keine Distanzrekorde bricht, waren besagte Häuser auch perfekt direkt am Fuße des Hügels hinter unserem Hostel versteckt!


"Noch immer verdienen viele Familien mit Fischfang ihr Geld."


"Auch bei Flut kommt das Wasser seit dem Erdbeben von 1960 nicht mehr bis hin zu diesem Teil der "Stelzenhäuser"."


"Einige der Häuser sind seit Generationen in Privatbesitz, andere in teure Hotels umfunktioniert und wieder andere werden von reichen Persönlichkeiten als exklusive Ferienhäuser benutzt."


"Der Ausblick ist trotzdem für Alle der gleiche wunderschöne über einen Teil der Bucht von Castro!"

Zum Mittagessen lud man uns freundlicherweise in ein oft empfohlenes Restaurant ein, dass durch seine großen Fenster in Richtung Hafen ein großes Plus bei allen Touristen sammelt. Den Magen gestärkt und am Terminal die Tickets für den darauffolgenden Tag gekauft, ging es weiter zu Teil 2 der  "Stelzenhäuser" Castros, die am anderen Ende der Stadt liegen. 

Der Gehweg, der einen mehr oder weniger steilen Hang hinab führt, erlaubt eine wunderbare Panorama-Sicht auf jene alten Gebäude, die trotz Casino-Neubau nebenan ihren Glanz und Schönheit bis heute nicht verloren haben.




"Verwaiste Boote"


"Unsere Bekanntschaften auf Chiloé!"

So ging ein entspannter Tag auch auf die gleiche Weise zu Ende. Wir schlenderten noch kurz über den Souvenir-Markt, um noch das ein oder andere chilotische Geschenk abzugrasen, bevor es nach einem leckeren Abendmahl und 1-2 Weingläsern in's wohlverdiente Bett ging. 

Abenteuer 2 auf unserer Sommer-Erkundungsreise durch Chile war somit auch schon abgehakt! Eine mehr oder weniger erfolgreiche Woche, die mich nach all den Lobeshymnen nicht wirklich aus dem Sessel riss, fand auf der Fähre in Richtung Kontinent wieder ihr Ende. 



Lange sollten wir jedoch nicht an Land bleiben, denn das nächste große Ereignis wartete schon am nächsten Tag....

Un abrazo,

Niclas

Mittwoch, 8. Mai 2013

Pinguine, Fisch und Kommunisten


Es ist ein wunderschöner Tag im Mittsommer. Zusammen mit deinen Freunden lässt du es dir am Strand bei 30° im Schatten gut gehen und versuchst zumindest ein bisschen an deinem Teint zu arbeiten. Entspannt beobachtest du von deinem Handtuch aus das muntere Treiben um dich herum - die Einheimischen, wie sie versuchen allerlei an Produkten zu verkaufen; deine Freunde, wie sie das neue Beachball-Set einweihen und die Pinguine, wie sie fleißig von ihrem Felsen aus ins Meer springen um auf Jagd zu gehen…Moment mal, Pinguine? 30°C…Sommer? Irgendetwas stimmt hier nicht!

Tut es wohl! Den chilenischen Magellan-Pinguin und seinen fast kaum unterscheidbaren Artgenossen - den Humboldt-Pinguin - findet man in seiner Brutzeit zwischen Februar und Juli nämlich an der kompletten südamerikanischen Westküste sogar hoch bis nach Perú!

Nahe der chilenischen Stadt "Ancud", im Norden der Insel, gibt es ebenfalls eine große Kolonie jener fantastischen kleinen Vögel, die wir uns natürlich auf keinen Fall entgehen lassen wollten!

So ging es relativ früh am Morgen diesmal mit einem ordentlichen Reisebus in das 1 1/2 Stunden entfernte "Ancud". Direkt am Busterminal fanden wir eine Agentur, die für umgerechnet 20 € Touren zum Pinguin-Strand "Puñihuil" veranstalteten. Problem hierbei: Um die Pinguine auf ihren Felsen sehen zu können, müsse man die Ebbe abwarten...jene war in dieser Woche am späten Nachmittag gegen 16:00! Im Klartext hieß das: 5 Stunden Zeit totschlagen in Ancud.

Nummer 1 Anlaufpunkt - ihr könnt es euch inzwischen ja wohl denken - war also mal wieder der "Plaza de Armas". Hier findet man unter Anderem eine Touristen-Information, die wir bitter benötigten, um unsere lange Freizeits-Periode mit interessanten Dingen abzudecken.


"Plaza de Armas zu Ancud mit einer Statur der mystischen Götter Ten-Ten Vilu und Cai-Cai Vilu"

Zusammen mit zwei Mädchen, die wie wir auf die Pinguin-Tour warten mussten, besuchten wir zuerst die einzige moderne Kirche Chiloés, die nach dem Erdbeben von 1960 (dem bisher stärksten gemessenen der Erdgeschichte) komplett neu errichtet wurde.


Direkt nebenan befand sich das "Museum der chilotischen Geschichte", welches wir uns natürlich auch nicht entgehen lassen wollten. Ich bin jedoch nicht der große Erzähl-Bär, also müsst ihr euch bei Interesse selbst den Wikipedia-Artikel durchlesen. Ein paar interessante Dinge, die wir dort entdeckten werde ich trotzdem mit euch teilen:


"Malerische Darstellung von Ten-Ten Vilu und Cai-Cai Vilu..."


"...das Skelett eines vor ein paar Jahren gestrandeten Blauwales..."


"...eine Replika des Schiffes, mit dem Magellan 1520 die südliche Patagonia erkundete..."


"...Überreste der spanischen Besetzung..."


"...und das Panorama hinein in die Bucht von Ancud."

Alsbald meldeten sich unsere Mägen und nachdem wir kurz über den sehr modernen und neu aufgemachten Souvenir-Markt geschlendert waren, machten wir es uns in einem Fisch-Restaurant gemütlich. Mein Lachsfilet mit Krabbensoße und Kartoffelpuffer war ein Genuss!


Ich wünschte ich könnte euch inzwischen etwas Lustiges oder Schräges über die Chiloten erzählen doch - Pustekuchen! Leider findet man vor Allem im Sommer auf Grund der vielen Touristen so viel pures kulturelles Ambiente wie im Bierkönig auf Malle - nämlich gar keins.

Nach einer kleinen Erkundungstour entlang der Buchtpromenade war es endlich soweit und wir stiegen in den Bus Richtung "Pingüinera" (übersetzt: die Pinguinerei).





"Los geht's!"

Rund 45 Minuten dauerte die fand hin zu einem wunderbar paradiesischen gelben Sandstrand am Rande einer knapp 30m in die Höhe ragenden Steilküste. Leider trübte der Anblick der vielen Reisebusse und Autos, die notdürftig direkt am Strand geparkt waren, etwas die Aussicht. In Sachen "das Auge isst mit" haben die Chilenen definitiv in mehreren Belangen noch viel zu lernen!



Rein in die knallorangenen Rettungswesten und das etwas wacklige Motorboot waren wir mit rund 20 anderen Touristen startklar für ein pinguinisches Abenteuer. Mit dabei natürlich auch wieder der ein oder andere Kandidat mit Halskanone Marke "Nikon" - frage mich bis heute wie es sich Leute antun können diese unhandlichen knapp 3 Kilo schweren Profikameras mitzuschleppen. Ich bleibe da lieber bei einer einigermaßen guten Digicam, die mit 500g Gewicht auch noch gut in der Hand liegt - und super Fotos schießt. Wie zum Beispiel diese:


"Ein erster Blick auf die Kollegen vom Dienst..."


"...die ungefähr 500m vor der Küste hausen..."


"...und ihre Neugeborenen mit frisch-gefangenem Fisch füttern."


"Die sich im Fellwechsel befindenden grauen Neugeborenen müssen nämlich knapp 20 Tage ohne Tauchgang aushalten, während..."


"...es sich dieser bronzene Kollege auf dem Nachbarfelsen in der Abendsonne gemütlich macht..."


"...und schließlich versucht dem weiblichem Publikum auf unserem Boot zu imponieren."


"Auswirkungen des Erdbebens 1960 - diese zwei Felsen waren mal eins!"

Das erste Mal Pinguine in freier Wildbahn - Wow, was für eine Erfahrung! Die knappe Stunde konnte nicht langsam genug vorbeigehen, denn ich kam gar nicht mehr aus dem Staunen über diese wunderbar lustigen Geschöpfe. Abschied mussten wir trotzdem nehmen und man schenkte uns bis zur Abfahrt zurück zum Terminal noch eine entspannte halbe Stunde an besagtem Strand. 

Am späten Abend wieder in Castro angekommen, entschieden wir uns zum Abschied der zwei Frauen, mit denen wir zusammen auf Quinchao waren und eine freundliche Bekanntschaft entwickelt hatten, erneut das chilotische Nachtleben unsicher zu machen. Es schloss sich noch ein Paar aus Concepción an, dessen männlicher Teil - ach, ist die Welt doch so klein - überraschenderweise ein Arbeitskollege von unserem Mit-Freiwilligen Jakob ist!

Die unglaubliche Auswahl von zwei Restobars hatten wir also an besagtem Dienstagabend. Wir entschieden uns zuerst für eine, auf den ersten Blick eher ausladende, Rocker-Bar, die sich am Ende jedoch als sehr amüsant herausstellte - woran wahrscheinlich auch die hochprozentige Flüssignahrung Schuld hatte. Ein wenig später testeten wir auch noch Bar Numero 2 - und zack! - da fiel mir doch noch eine schräge Begebenheit in die Hände.

Am Spielen war eine Live-Band, die aus 4 Männern im etwas besseren Alter bestand. Der Sänger, ein schlaksiger Herr von kleiner Statur mit einem Weihnachtsmann-Bart und Kommi-Stern-Mütze auf dem Kopf, war der auffälligste der ulkigen Gruppe. Es verging nicht viel Zeit und jenem Herren fiel auf, dass in seinem erhabenen 15-Mann-starken Publikum zwei blonde Kreaturen Platz genommen hatten. Sofort die Frage: "Ach nein, wo kommt ihr zwei Putzigen denn her?" - es lief mir kalt den Rücken runter. Ich wusste genau, was mich erwarten würde, wenn ich diesem Señor, der roter zu sein schien als die Flagge auf Stalins Grab, erzählen würde, dass ich Deutscher sei.

Natürlich war wie sooft mein Mundwerk schneller im Ziel als mein Gehirn und seine Gesichtszüge weiteten sich: "Ooooh, Deutsche!"...und schon ging es los: "Damals haben wir regelmäßig in Ost-Berlin gespielt und die Revolution besungen...bla, bla, bla"..und beendete seine Predigt wie folgt: "Für meine zugereisten Freunde aus der ehemaligen DDR spielen wir nun das Lied "Lutz, el espía", die Geschichte eines kommunistischen Spions in West-Berlin." 

Also trällerte eben dieser Fidel Castro für Arme ein Lied auf die traurige Geschichte des Spions Lutz, der für die "gute Sache" in West-Berlin auf mysteriöse Weise starb, während ich halb apathisch an meinem Drink nuckelte. Um euch vorstellen zu können wie unwohl ich mich in dieser Situation als bekennender Kapitalist gefühlt habe, stellt euch das kleine Schweinchen vor, dass sich zufällig im Schlachterhof verlaufen hat.

Anscheinend war diese Band jedoch nicht als Hintergrundmusik engagiert, und als unsere chilenische Gesellschaft während des Liedes zu laut wurde, Che Guevara es sogar unterbrach und uns bat uns in Ehren des lieben Lutz' doch bitte LEISE zu verhalten, war das Fass für mich endgültig übergelaufen und wir wechselten nach diesem kurzen Intermedley, Gott sei Dank, wieder in die Rocker-Bar, wo der Abend erst ein spätes Ende fand...

Un abrazo,

Niclas