Mittwoch, 3. April 2013

Geben und Nehmen..

Es ist einer dieser Tage - 35°C, die Sonne brennt durch das chilenische Ozonloch und lässt dich bei absolut trockener Atmosphäre fühlen wie ein am Strand langsam verendender Fisch, der mit letzter Kraft versucht zurück ins Wasser zu hüpfen.

Ich in meinem Fall habe Gott sei Dank zwei lange Beine anstatt Flossen und bin etwas schneller zurück an der Wasserquelle als der arme Fisch. Die Erfrischung im hauseigenen Pool von Maikes Gastfamilie kam somit mehr als einladend. Bei einem Schöfferhofer-Grape langsam auf einem Ring im Pool herumtreibend, ließ sich der brutal heiße chilenische Sommer definitiv ertragen.

Die aus der enormen Hitze resultierenden überaus angenehm milden Nächte machten sich auch diverse Party-Veranstalter zunutze, und so stieg in der zweiten Januarwoche ein riesiges Event namens "Open-Colbun" an gleichnamigem See. Wir besorgten uns VIP-Tickets für umgerechnet 25 Euro, die uns einen speziellen Bereich, freien Alkohol die ganze Nacht und freies Essen garantierten.

Mit einem Sammelbus ging es somit an besagtem Samstag gegen 22:00 vom Plaza in Talca aus in Richtung See. Dort angekommen mussten wir erst einmal feststellen, dass die Party nicht in unmittelbarer Nähe des Wassers, sondern in einer etwas weiter entfernten überdimensionalen Grube stattfinden sollte. Für uns war ein schnellerer Eintritt organisiert und so fanden wir uns auch direkt an der riesigen Bar, die erlaubte in unglaublicher Geschwindigkeit den Alkoholvorrat aufzufüllen. Ich werde nicht mehr von diesem Abend erwähnen, nur dass wir um 7 Uhr morgens zufrieden und schlafend im Bus zurück saßen. Auf dem Nachhauseweg sammelte mich freundlicherweise noch mein Friseur auf, der mich nach einem Morgen-Kaffee in seinem Haus noch nach Hause fuhr.

Auch auf der Arbeit wurde es nicht langweilig: Uns erreichte ein Anruf der Nachbarin von einem unserer "Opis" im Büro. Anscheinend war bei dem schwerhörigen und an Parkinson leidenden Don Ramón eingebrochen und sein Fernseher samt Handy gestohlen worden. Allein schon die Nachricht versetzt einen in Wut, wenn man sich überlegt, dass hier für Geld nicht mal vor Alten und Schwachen Halt gemacht wird.

Wir machten uns auf den Weg und fanden einen aufgebrachten Don Ramón in seiner Wohnung auf. Er erzählte uns, dass er nur kurz das Brot für das Abendessen kaufen war, als er auf dem Rückweg gerade noch seinen Nachbar aus der Wohnung über ihm aus seiner Tür huschen sah.

Der Fehler war schnell gefunden: Obwohl es Don Ramón selber nicht verstand, fanden wir heraus, dass er sein Fenster nicht verschlossen hatte und man so mit einem schnellen Griff ganz leicht den Türgriff von innen öffnen konnte - leichtes Spiel für den Dieb.

Meine Aufgabe war es nun mit ihm zur Polizei zu gehen und die nächsten juristischen Schritte zu planen; immerhin wusste Don Ramón ganz genau wer ihn bestohlen hatte. Die Euphorie wurde jedoch schnell gestoppt, als wir herausfinden mussten, das Anzeigen mit Selbstverschuldung als Bestandteil als Allerletztes behandelt werden und man somit ungefähr ein Jahr warten müsse. Schweren Herzens musste ich somit Don Ramón beibringen, dass er in nächster Zeit auf seinen Fernseher verzichten müsse - außerhalb des Programmes wahrscheinlich die letzte wirkliche Freizeitaktivität, die er alleine und ohne Einschränkung betreiben konnte...

Un abrazo,

Niclas

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